Es gibt Filme, die ziehen einem die Hauptpersonen
raus in die Wirklichkeit. Man verlässt das Kino im sicheren Glauben,
auf den nächsten hundert Metern einen von ihnen zu treffen und ihm
irgendwas Neues zu erzählen, das man weiß, weil man eben erst
im Kino war. Verrückt. Verrückter wird’s, wen man einem realen
Bekannten begegnet und zum Beispiel anfängt: „Du, das mit dem Andi
und der Andrea wird doch noch was. Die hatte ja was mit diesem Reini, ein
widerlicher Typ, aber das weiß keiner, auch nicht, ob das Kind vom
Andi ist. Trotzdem besser für Yvonne. Die Kleine ist ganz durcheinander,
nach dem ihre Mutter gestorben ist, von der Disco heim, in die ist der
Kai rein, wo sie sechs Jahre vorher noch den Flugzeugabsturz überlebt
hat, als einzige. Verrückt.“
Start: 1. April 2004
Da hat einer Böse Zellen gesehen
von Barbara Albert und immer noch nicht viel verraten von den vielen Dingen,
die da passieren wie im richtigen Leben. Immer dieselben Menschen kommen
an einem vorbei, manche mit einem leichten Schlag, manche traurig, manche
widerlich, alle rührend echt, in der Dichte nur manchmal gestelzt.
Da wird viel geliebt und wieder sein lassen. Jedem könnte man irgendwann
noch etwas erzählen über den, mit dem er gerade redet. Aber geht
ja nicht, ist nur ein Film, ein toller.
Was Barbara Albert da veranstaltet, ist
nie so ekelhaft wie Haneke und nie so komisch wie bei Hader, aber es ist
so eigen, so stilsicher, dass es einen schwer aus dem Bann entkommen lässt.
Stundenlang könnte man da noch zuschauen, und dann ist es doch plötzlich
rum und man muss raus und ein bisschen auf seinen Mund aufpassen, wenn
man jemanden trifft.
Willibald Spatz
10. Februar 2004