Ein Film wühlt im kollektiven Gedächtnis
der Menschheit, kramt den Urtraum des Jungseins hervor, nur mit dem, was
der Körper ausstrahlt, den anderen weich werden zu lassen. Ein Rockstar
zu sein und die Stadionmassen zum Jubeln zu bringen.
In Garage Days stimmt was von Anfang an
nicht. Freddy, der Sänger, hat die Teenagertage ein gutes Stück
bereits hinter sich und die Kollegen Gitarre Joe, Bass Tanya und Schlagzeug
Lucy sind im Leben auch so weit, dass aus ihnen was werden könnte.
Trotzdem geben sie der Band noch eine Chance, weil das Schicksal in Form
des echten Verlierers und Managers Bruno ihnen nach einem Probenjahr den
ersten Gig zuspielt und, als dieser geplatzt ist, in der Kneipe beim Frustbier
die Brieftasche des Erfolgsmanagers Shad Kern, der sie nach oben bringen
könnte und sich auch nicht abgeneigt zeigt.
Doch dann lernt Freddy bei kompliziertem
Beziehungsdurcheinander, dass auch anderes wichtig ist. Er spürt nämlich
sein Herz für Kate, die ein Kind von Joe im Bauch trägt, der
sie betrügt. Er sieht, dass er mit dem für Rocker obligatorischen
Drogenquatsch nichts anfangen kann, fast noch weniger als mit Spielautomaten
und DJs, den natürlichen Feinden der Handmachmusiker.
Der Film ist lustig anzusehen, er simuliert
die Ästhetik von Trainspotting. Er imitiert sie aber nicht, denn es
geht ihm darum, die letzte heilige Kuh, die der modernen Gesellschaft verblieben
ist, zu schlachten, ihr den Arsch Stück für Stück bis zu
den Ohren aufzureißen. Rock ´n’ Roll. Der darf dennoch gut
klingen unter den Bildern, viel Stoff von den Violent Femmes über
Travis bis zu The (International) Noise Conspiracy, zu dem man dem taktklopfenden
Fuß ungern Ruhe befiehlt. Auch ihre eigenen Helden vergessen sie
nicht, die Australier: AC/DC dürfen die Ouvertüre liefern.
Viel Gelassenheit braucht der Musikfan,
wenn er Freddy und so weiter zuschaut, wie sie fertig erwachsen werden.
Jemandem, der Angus Young nicht persifliert werden sehen kann, muss man
sogar dringend vom Kinobesuch abraten. Aber ein anderer, der zu entspannter
Betrachtung in Samtsesseln fähig ist, zieht eine neue, schon immer
geahnte Erkenntnis mit nach Hause: Rockmusik bringt es vor allem dann,
wenn sie sie selbst sein darf und nicht abwechselnd versucht, seriös
genommen zu werden und sich dann selbst zu ironisieren. Darf es erlaubt
sein, einen Traum auszufaden, auf ein Maß zu reduzieren, statt ihn
explodieren zu lassen oder lautstark zu Grabe zu tragen? In diesem Fall
schon.Spießig kann auch Spaß sein. Großer.
Willibald Spatz
19. Januar 2004