Was ist Unterhaltung und was darf sie,
ohne ihr Wesen zu verletzen? Ein Mann sucht nach Antworten, und er tut
es, indem er Fragen stellt: Reinhold Beckmann. Kein Mensch, der sich bequem
in eine Schublade stecken ließe. 1990 war er klar: ein Sportmoderator.
Er hatte gerade den Titel „Moderator des Jahres“ gewonnen für seine
Reportagen von der Fußball-WM aus Italien und seinen Wechsel von
der ARD zu Premiere besiegelt. So war er bekannt, aber eigentlich war er
auch damals schon mehr, allein schon durch das, was er hinter sich hatte.
Ein Jahr in Amerika, bevor er seine Lehre als Radio-, Fernseh-, Videotechniker
begann, prägte ihn.
Der Gang nach Köln zum Studium der
Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sollte der goldene
Grundstein auf seinem Lebensweg werden: „Hätte ich nicht 13 Jahre
in Köln gelebt, ich hätte nie den Schritt vor die Kamera gewagt.“
Was wäre uns vorenthalten geblieben!
„Fußball war Show und Beckmann ihr
Erfinder,“ formulierte treffend Helmut Schümann und meinte damit
ran und ranissimo, jene Sportsendungen, die Reinhold Beckmann entworfen
und moderiert hatte seit 1992, seit er zu SAT1 gegangen ist, und die gewonnen
haben: die Goldene Kamera, den Bayerischen Fernsehpreis, die Goldene Romy
(österreichischer Fernsehpreis), die Anerkennung der Fußballfans.
Einmal Show, immer Show. Beckmann wollte
beweisen, dass er zu den Großen – Jauch, Gottschalk – nicht aufschauen
musste als Mann vom Sport, der Jauch auch einmal war und noch ist. Er übernahm
den Freitag Abend 1994: No Sports wurde jedoch abgestellt nach zehn Sendungen.
Den zweiten Versuch 1998 für die ARD, die Guiness-Show der Rekorde,
brach er selbst ab, 2002, trotz großen Erfolgs. „Ich bin kein klassischer
Samstagabendunterhalter,“ sah er selbst ein. Nein, er ist ein Mann für
die leisen Töne, der genau hinhören will. Denn nur weil das Fernsehen
lauter, knalliger und bunter wird, sind es die Menschen und ihre Geschichten
am und auf dem Bildschirm noch lange nicht.
„Beckmann ist ein Kammerspiel, ein kleines
Format journalistischer Unterhaltung.“ Die Talkshow, der er seinen Namen
gab, hat seit 1999 ihren stillen Platz am Montag Abend in der ARD. Und
trotz des Wasserfalls an Talkformaten, das über die Kanäle des
Landes rieselt, behauptet er ihn mühelos. Was anderen Moderatoren
selten, manchen nie gelingt, fällt ihm leicht: den Gästen ein
Zuhause im TV zu bieten, in dem sie privat sein können, sie die Kameras
und glühenden Scheinwerfer vergessen zu machen. Sein Geheimnis? Er
suche das Gespräch, die Nähe zu seinen Gästen. „Man kann
die Seele des Menschen nicht enthüllen, man kann ihr nur den Raum
geben, sich zu entfalten.“ Das klingt selbstverständlich und somit
bescheiden für jemanden, der öffentlich reden will. Aber es ist
eine Tugend geworden an diesem Ort und zeugt von einer Größe,
die die meisten hier nicht erreichen. Er weiß, was er wert ist, und
deshalb hat er keine Probleme, ehrfurchtsvoll vom „Altmeister Bio“ zu sprechen.
Dazu bleibt er offen für die Anliegen der Zeit: „Heute merken wir,
dass es besonders nach dem 11. September ein starkes Bedürfnis nach
Antworten gibt.“
Er ist vom Herz aus Journalist. Das treibt
ihn raus, weiter. 2001 drehte eine Reportage, Rückkehr im Rollstuhl,
über Noel Martin, einen farbigen Engländer, der 1996 unerfreulichen
Kontakt mit Rechtsradikalen in Brandenburg hatte. 2001/2 schrieb er Kolumnen
in der ZEIT, Beckmanns Erzählungen, und führte Interviews für
die WELT AM SONNTAG. Seit 2003 ist er wieder Kommentator bei Spielen der
Fußballnationalmannschaft.
1999 gründete er den Verein Nestwerk
e. V., der sich für Sportangebote für sozial benachteiligte
Jugendliche engagiert. Sein Wirken bekommt soziale Flügel und manifestiert
sich zum Lebenswerk.
„Und wenn Sie mich langweilig finden,
weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe.“ Nein, langweilig
wir Ihnen nicht und niemandem mit Ihnen. Ganz im Gegenteil: Wenn einer
weiß zu unterhalten, dann Sie, leise, intelligent. Sie sind am Ziel.
Machen Sie noch lange weiter.
Willibald Spatz
9. Mai 2004