Der schwarze Mann

 

Wenn du eine schwere Kindheit hattest, wenn sie dich in den Knast stecken, wenn dich deine Frau wegen eines anderen verlässt, dann brauchst du keinen Countrysänger, der dir in albernen Durakkorden erzählt, wie schön die Welt ist und die Sonne scheint, da brauchst du jemanden, der dir sagt, was du tun musst, zum Beispiel der Frau eine Kugel in die Seite zu jagen und wenn du’s nicht sehen kannst, wie sie leidet, dann gib ihr die zweite!

Das mag dir alles brutal in den Ohren liegen, wenn es dir nicht vorgetragen wird in einer wunderbar traurigen, religiösen, wütenden und schönen Weise. Aber woher willst du sonst wissen, wie es ist, einen Mann umzulegen, wenn du es nicht einfach machst? Und ist Gewalt nicht immer nur dann schön, wenn sie nicht diskutiert wird?

So einen hätte man erfinden müssen, hätte es ihn nicht gegeben: Johnny Cash.

Er hat es getan in den 60ern, nachdem er seine erste Gitarre in Landsberg am Lech gekauft hat, und in den 70ern ist er ins Gefängnis, um für die zu singen, die zu Unrecht hinter Gittern sind und die wir hier draußen brauchen und in den 80ern war er weg, kein Bedarf mehr für so einen in Schwarz und seine fröhlichen Highwaymänner. Außerdem war er selbst unten, ganz unten am tiefsten Punkt, an dem ein Musiker, der auch nur zwei Pfennig auf sich hält, sein kann, an dem wer U2 bis auf einen Lebensrettungsversuch an sich heranlässt. „The Wanderer“  heißt das und wenn man über Tote Schlechtes schreiben dürfte...

Dann musste doch einer kommen, der ihn erfindet: Rick Rubin. „ Du bist Johnny Cash und du bist nur Johnny Cash mit einer Gitarre.“ Vier „American Recordings“, vier Platten über das Sterben, das du seitdem nicht mehr fürchtest, sondern nur noch seinen Tod. Mit Lemmy  U2 loben  „Die haben ja auch gute Lieder“, mit Will Oldham von einer gemeinsam-schrägen Zukunft träumen, mit Tom Petty nie mehr runterkommen und schließlich am letzten Freitag, dem 12. September 2003, zwei Jahre und ein Tag nachdem sich die Welt verändert hat, im Deppenradio vom Tod einer Countrylegende zu hören und du denkst dir gerade „Der Willie Nelson wird der Welt nicht fehlen“, als es dir bewusst und auch bestätigt wird: der andere. Ja, das tut weh und ich jedenfalls habe den Rest des Abends nur noch dunkles Bier bestellt.

 

Willibald Spatz

mehr Kritiken