Verfluchte Schirme

Die Regenschirme sind der Teufel. Sie machen die Welt kleiner. Kaum kommt es zu den ersten Tropfen, schießen sie aus dem Asphalt, hängen die Wege voll, machen sie fast unpassierbar und lassen metallspitzig fürchten um das zu dieser Tageszeit so schon rare Augenlicht. Dabei scheint ihr eigentlicher, dumm-diabolischer Daseinszweck zu sein, vergessen zu werden, die Vergessenden panikattackiert zurückzutreiben in eben verlassene Busse, Arztwartezimmer oder Hallenbäder. Oder harmlos Nebenhergehende in die Verlegenheit der Großzügigkeit zu bringen, mit drunter zu dürfen, anbieten zu müssen, den Stock zu halten und dadurch der kleinen Schirmpartnerin entweder einen Teil ihrer Trockenheit zu entziehen, weil der Wind den Regen nun unter die zu hoch getragene Haube weht, oder sich selbst Haltung und Rücken zu ruinieren. Scheiße.
Ist es nicht in Wirklichkeit Blasphemie, um die Frisur zu fürchten, die neu einzurichten gerade in dieser Zeit wertvolle Arbeitsplätze bedeuten würde? Sich dem Wasser von oben entziehen zu wollen, das - und das soll nie vergessen werden - das Leben auf dem wasserblauen Planeten überhaupt erst möglich macht? Dazu noch blutig zynisch, in Tagen nach der Flut trocken bleiben zu wollen, nicht Solidarität im Gegenwert einer Schachtel Zigaretten zeigen zu wollen?
Diesen Regen, wie er früher einst war, gibt's heutzutage gar nicht mehr. Das sind doch nur noch Tropfen, die vom Himmel fallen, heutzutage. Erinnert sich noch jemand an den ständigen stunden-, wochenlangen Riesel, der auf dem Haar, mit dem Boden unter den Füßen und Sauerstoff in der Nase, einen die Elemente unmittelbar wie selten erfahren ließ? Dann der Platsch damals zum Beispiel, der jedes Textil in egal wie viel Lagen sekundenschnell durchdrang und einen danach beim Verdunsten der Sonne ein Stück weit entgegenriss.
Doch das gibt's heute nicht mehr. Dafür die Regenschirme. Und die sind der Teufel.

Willibald Spatz
12. Februar 2005

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