Lemmy sagt im Interview auf die Frage,
ob er glaube, dass Hitler einen guten Bassisten abgegeben hätte: „Er
spielte Klavier – ein jämmerlicher Klavierspieler. Goebbels war der
Begabtere.“ Faszinierend, wie einfach man sich die Welt machen kann. Ein
anderes Beispiel käme von Richard Wagner, indem er sagt: „Der Jude
ist der plastische Dämon des Verfalls der Menschheit.“ Mag für
manche Ohren hart klingen, aber andrerseits ist es flach und einseitig,
einem vorzuwerfen zufällig das Volk zu hassen, das zufällig das
eigene Volk Jahrzehnte später zur Ausrottung auswählt. Außerdem
war das was anderes, bevor die Sache mit den Nazis passiert ist. Noch dazu
fußt Wagners Ausspruch nicht auf dem Schrei nach Vernichtung, sondern
auf einem handfesten Grund: Neid. Der ältere Zeitgenosse und Kollege
Meyerbeer, ein Jude, war in Wagners Anfangsjahren erfolgreicher als er,
und den Erfolgreicheren samt seiner Rasse zu hassen, muss erlaubt sein.
Er hinterlässt ja auch seine Musik und seine Texte, und man denke
nur mal an den Fremdenverkehr. Wieso also nicht dem schrulligen Antisemiten
im Münchner Stadtmuseum eine Sonderausstellung widmen? „Wagners Welten“.
Wer Thomas Mann für eine Instanz
für irgendwas hält, wird sich freuen, im dritten Raum, gleich
nach den Lebensdaten, in Zitaten zu erfahren, dass in Wagner zwar viel
Hitler stecke, er ihn aber trotzdem für das größte Talent
aller Kunstgeschichte halte. Was dann folgt ist sehr nett. Jede Oper hat
einen eigenen Raum, ebenso die Frauen, München, Bayreuth und König
Ludwig. Gut ausgestattet mit Videos, Dias, Bühnenbildentwürfen,
Theaterplakaten und Guckkästen und viel Musik von den Lautsprechern
oben, nichts weggelassen oder schöngeredet. Filme, die Wagner
als Musik verwenden - „Apocalypse now“, „Bugs Bunny“ und der Harakiristreifen
von Yukio Mishima - sind zu sehen. Das Gesamtwerk des Meisters wird im
Vorbeigehen erfahrbar. Genial, mehr wollte man nie, maximal weniger.
Keine Stümper waren hier am Werk.
Das persönliche Wagnerbild wird um keinen Millimeter verrückt,
dafür um viel Wissen und Eindruck bereichert. Musikalisch und literarisch
interessanter, dafür politisch weniger verfänglich, wäre
aber sicher eine Ausstellung derselben Macher mit dem Titel „Lemmys Leben“.
Zum Beispiel.
Willibald Spatz
2. Dezember 2003