Finis hominis ludentis

Die Herren Philosophie sagen, dem Menschen der größte Reiz sei es, die Herausforderung anzunehmen, sich mit einem anderen zu messen, in Konkurrenz zu treten. Und zwar am besten im Spiel, mit festgesetzten Regeln, Verträgen mit dem Gegenüber im Interesse dessen, was sich unter der eigenen Gürtellinie befindet. Ohne das wäre die letzte Klappe der Evolution längst schon gefallen und die Menschheit Geschichte, über die keine Bücher mehr berichten könnten. Wetten?
Das ist Blödsinn. Das sagt einem der unbestechliche Verstand. Der wahre Reiz beim Spielen ist das Bescheißen. Damit kann man dem Zufall respektive Schicksal ein bisschen zuvor kommen, dem Stärkeren, dem Schnelleren das Bein so stellen, dass es ihn zwei Meter vor dem Ziel auf die Schnauze legt und sich bei der blöden Natur ein wenig für die hässliche Gestalt entschädigen, mit der sie meinte, einen ausstatten zu müssen bei der Geburt. Wenn die Ehrlichkeit am längsten währt, dann währt sie am stärksten nach dem Tod, der Mensch muss aber leider, wieder Natur sei Dank, mit dem Hier und Jetzt zurechtkommen. Bitte.
Dann gibt es die Ausnahmen von der Natur, das soll man nicht vergessen, in denen uns das Spiel in seiner reinen Form entgegen tritt, in 22 gesunden Menschen und einem schwarzen - schwarz behosten. Keine Tricks scheinen hier möglich, kein doppelter Rasen beim Fußball, einer Art Idealwelt, die sich, möchte man annehmen, Philosophen geschaffen haben zum Wahrheitsbeweis für ihre irren Ideen. Und wenn sich da einer oder mehrere gegen die Regeln auflehnen und sich recht natürlich benehmen, um das Hier und das Jetzt außergewöhnlich erträglich für sich einzurichten, dann ist darüber nur in aller Deutlichkeit auszuspucken. Schließlich versuchen die anderen Profis mit diesem Realität gewordenen Spiel, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen. Spätestens da hört der Spaß am Betrug auf. Da geht's um Existenzen. Das hätte keiner vermutet. Da werden Wetten abgeschlossen über das Versagen von Menschen und wenn's nicht gleich klappt, dann wird dem Versagen nachgeholfen. Was soll denn da die Evolution sagen? Begeistert wird sie nicht sein.
Und nun dieses Misstrauen auf einmal überall. Angestellte, die akribisch ihre Büros nach versteckten Mausefallen und angeritzten Kabeln durchsuchen in der Furcht, ihr Chef habe mit einem seiner versnobten Golfkumpanen gewettet, man werde heute sein Tagessoll nicht erreichen. Oder Maurer, die am Morgen mit ihrer Kelle am Mund den Zement kosten, weil ihn ja einer über Nacht durch Brause ersetzt haben könnte und das Stadion, an dem sie zum Beispiel gerade bauen, könnte noch beim Dröhnen der Einweihungstrompete zu Pulver zerfallen. Wir haben gerade dem Ende ins Antlitz gesehen. Da haben die Philosophen recht mit ihrem Fußball. Wetten?

Willibald Spatz
12. Februar 2005

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