Du isst also kein Fleisch?
Wurst und Bier - eine Polemik

Sie rührt mit der Gabel im Teller. Sie windet sich unter ihren Schultern. Sie schluckt. Und isst nichts dabei. Es liegt ihr was auf der Zunge, was nicht durch meine Pfanne gewandert ist, und ich glaube nicht, dass wir uns nah genug sind, dass ich dieses von da klauben darf, weiß nicht, ob wir uns je nah genug dafür sein werden.
Und ich ahne, was kommen wird, und ich denke an den anderen haltlosen Behaupter und Russen Tolstoi, der gesagt hat, es sei vorbei mit den Kriegen und allem, wenn nur endlich diese verdammten Schlachthöfe verschwunden seien von dieser Erde. Und ich verdamme mich, weil ich diesen Spruch mal cool fand und weil sie in ihrem Teller rührt und in was, das vor es durch meine Pfanne durch ein Schlachthaus und davor - was weiß ich, leck mich am Arsch - über eine Wiese gewandert ist.
Und jetzt sitzen wir hier, uns gegenüber, und ich könnte sagen, dass uns die Natur nun mal so gemacht hat, dass wir mehr Fleisch voneinander brauchen. Und es hülfe doch nichts. Und ich könnte sagen, dass sie das Eisen braucht in ihrem Körper, braucht für die Kinder, die sie bekommen soll mit ihrem Körper, und ich verriete viel von dem, was ich vorhätte mit ihr, ohne mir dabei ganz sicher zu sein, nur weil ich ihr jetzt im Moment gern ein Stück Fleisch einführen wollte.
Wenn ich jener Sau, nur zum Beispiel, die Haxen abschnitte und ihr dafür Rollen montierte, mit denen sie lustig im Stall herumsausen könnte, wäre ich dann nicht besser als sie, mir gegenüber, die nichts dergleichen tut für den Baum, dessen Apfel sie isst, weit vor jener ihn selbst hergegeben hätte? Hä?
Nun ist es einmal passiert. Was willste jetzt machen? Bier trinkste wahrscheinlich auch keins.
Sie hat's dann gegessen, weil sie, sagt sie, es eigentlich doch ganz geil finde und weil sie, sagt sie, für mich eine Ausnahme mache. Und sie sagt, dass sie mir mal was mit Äpfeln mache. Wir sind weiter. Wir müssen nur darüber reden, aber wir können doch auch.

Willibald Spatz
1. Dezember 2004

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