Der König ist ein Tyrann, ein Fiesling
und Schmalgesicht. Eine gibt es, die seiner Willkür Grenzen setzen
kann: Die kluge Bauerntochter, die seine Frau ist, seit sie drei Rätsel
knacken hat können. Seitdem tut sie Gutes, rettet ihren Vater aus
dem Gefängnis, verhilft einem betrogenen Bauern zu seinem Recht. Der
hat verloren, weil ein Böser behauptet, ein nachts in einem Stall
geborenes Füllen sei seines, weil es näher an seinem Maulesel
gelegen habe als am Esel des Bauern. Nun sind sie vor den König gezogen
mit drei Halunken, die Zeugen sein sollen und fordern laut im Lied „Wir
wollen Gerechtigkeit“. Der König will vor allem seine Ruhe und gibt
den Schurken Recht. Die Kluge beobachtet und weiß, dass sie nun was
unternehmen muss. Sie ist ein stummer Schatten auf der bunten Bühne,
und das ist nur ein gelungener Einfall, um der kleinen Puppenbühne
eine Dimension hinzuzufügen.
Wie gemacht für die kleinen Bretter
scheint Carl Orffs Oper zu sein. Ein scheinbar niedliches Märchen
der Gebrüder Grimm, wunderbare Marionetten. Das Personal wird nur
um drei Gauner und eine Palastwache erweitert. Sie kommentieren vor allem,
sorgen so geschickt dafür, dass der Handlungsfaden nicht abreißt.
Zu ihren seltenen Gesangsauftritten zählt ein Trinklied, bei dem zuerst
nur sie selbst schwanken, dann aber die ganze Bühne. Ein Spaß,
der hier leicht möglich ist.
Farbig und harmlos die Welt, doch schon
in den Puppengesichtern bricht sie: Die Kluge wird zwar zudem als schön
bezeichnet, doch ihr Gesicht ist bitter und sorgenvoll. Sie opfert sich
hin für das Volk, sie müsste das nicht tun. Das ist nicht mehr
nur Märchen, das ist in all seiner Komik eigentlich todtraurig. Und
die Musik tut nicht so, als ob da nichts krumm wäre. Ist das schön,
wenn alles so bitter zusammenpasst? „Klug sein und lieben kann kein Mensch
auf dieser Welt. Ich habe mich nur verstellt,“ singt die Kluge am Ende,
ein hartes Los an der Seite des Königs. Keine Ahnung, ob das stimmt,
aber so ist es in Ordnung, so will auch der Alte noch was lernen.
Willibald Spatz
10. Februar 2004