In meiner Schule hieß es, in München
gebe es ein Theater, da hätten sie nur einen Stuhl und die Schauspieler
auf der Bühne, sonst nichts, alles spiele drum herum. Auf der Suche
nach diesem Theater führte mich gestern ein heißer Hinweis zu
„Die Stühle“ von Eugéne Ionesco in die Schauburg, das Theater
der Jugend, wo ein Alter sich anschickt, seine Lebensbotschaft zu verkünden.
Er hat dazu einen Redner engagiert und viele Gäste geladen. Die erwartet
er nun mit seiner Frau Semiramis auf – enttäuschend – zwei Stühlen
und inmitten von sieben Türen.
Im absurden Theater ist die Langeweile
oft einprogrammiert und Absicht. Durch schauspielerische Kabinettstückchen,
wie das Vorspielen des Monats Februar, um Semiramis die Zeit zu verkürzen, macht
Peter Ender Striche durch die ansonsten bis dahin sehr werkgetreu inszenierte
Absicht des Autors.
Aber dieses Stück handelt nicht ausschließlich
vom Warten, sondern auch vom Kommen. Der Gäste. Durch die Türen.
Der Zuschauer kann sie nicht sehen, nur die Alten, und für jeden Neuen
kommt ein neuer Stuhl auf die Bühne. Hier können beide Schauspieler
– die Semiramis spielt Ilona Grandke – zeigen, wie schön sie es können.
Mit den unsichtbaren Personen so umzugehen, dass sie präsent werden.
Hier ein persönlicher Hinweis an den Filmemacher Lars von Trier, falls
er wieder Lust auf ein Experiment hat: Wieso nicht mal die Leute weg- und
dafür die Türen zulassen?
„Wer sind diese Leute?“ Die Alten scheitern
zu zweit an den Gästen. „Wir sind Menschen!“, schreit Semiramis heraus,
und es ist wirklich den Menschen vorbehalten, sich ihnen zu verlieren.
„Wir leben, um zur Legende zu werden.“
Traurig ist es um die beiden bestellt, verzweifelt.
Aber sie schaffen es zu unterhalten, einen
in das absurde Meer zu ziehen, dass man das Auftauchen vergisst, wenn auch
die Kurzweil, gegen die man vergeblich kämpft beim Betrachten der
Schauspieler, nicht oder vielleicht nicht ganz im Sinne Ionescos war.
Zusammenfassend muss ich sagen, ein schöner
Abend, wenn auch mit ziemlich vielen Stühlen zum Schluss.
Willibald Spatz
16. November 2003