Das Beste am Volkstheater ist manchmal,
dass man was lernen kann: Dass - Hirschen und Reh und Säu - ein jedes
Fleisch anders schmeckt, dass jedes Geschäft gut läuft, wenn
die Amtlichen und Oberen nicht zulangen und dass Volksmusik nichts mit
volkstümlicher Musik zu tun hat, wenn sie schräg dahoam ist wie
zum Beispiel der gelernte Herzchirurg Dr. Georg Ringsgwandl, der raffiniert
Funk und Blues mit bayerischen Texten kombiniert, oder die Österreicher
Attwenger oder die musikalische Familie Well. Familie Faber traut sich
das auch zu, die Münchener Jazzspießer aus ihren Biergärten
ins Theater zu jagen. Von der Mutter Anne das Stück und der studierte
Trompeter und Sohn Johannes komponiert die Musik und spielt den Hias, den
boarischen Hias, den bayerischer Robin Hood und bayerischen Karl Mohr,
der wildert für die armen Bauern, vom Jäger verfolgt, vom Kumpanen
Lurer verraten wird, frei kommt und wieder verraten wird.
Sie stecken sich so unter eine Decke,
weil man ein Volksstück heute anders bringen muss, dass gar nichts
mehr beißt. So viel Selbstironie lastet auf jeder Figur, dass es
tatsächlich peinlich ist. Von der Wildererbande spricht jeder einen
anderen Dialekt, die Tändlerin Wally - ebenfalls eine Faberin - fährt
mit einem umgebauten Kettcar auf die Bühne und alle singen und tanzen
sie zu leichter Jazz-Rock-Ländler-Fusionsmusik von drei Herren am
Bühnenrand, zu denen sich vielleicht gescheiter auch der standhafte
Johannes Faber mit seiner immer präsenten Trompete gesellt hätte
statt auf der Bühne nicht zu spielen.
Nur die Moni beugt den steifen Helden
zu sich hinunter, weil sie sich versprochen sind und sie ein Kind von ihm
bekommt. Ihre Darstellerin Claudia Wipplinger bekommt eine Liesl Karlstadt-Imitation
hin, die sich für ein original Münchner Theater ziemt.
In der Schule in Augsburg haben wir gelernt,
dass es in München ein Theater gebe, wo sie nur einen Stuhl auf der
Bühne haben und dann alles spielen. Das haben wir diesmal nicht gesehen,
die Kulisse war ein so schönes Waldbild mit Jägerstand und allem,
dass ich mir jetzt selbst Stunden später keine bessere Tapete vorstellen
kann.
Herr Ringsgwandl hat dem Räuber Kneißel
ein musikalisches Denkmal gestellt, der hundert Jahre nach dem boarischen
Hias auf dessen Ruhm sich berufend sein Saufgeld zusammenstahl. So schnell
kann die edle Idee verkommen, gerade als im Schlussapplaus das Publikum
in den Rhythmus der Combo einfiel wie im Musikantenstadl, dem sich das
Ensemble so sicher entkommen fühlte. Die Biermösel Blasn haben
deswegen schon mal ein Lied abgebrochen...
Willibald Spatz