Eine schräg-weiße Bühne
schafft die künstliche Leere, die unausgefüllt bleibt von vier
Menschen: die tolle Frau Isé, die drei Männer umkreisen, einmal
ihr Mann Cís, ihr ehemaliger Geliebter Malric und der hilflose Mesa,
der auch für sie brennt auf dem Schiff nach China mit dem Traum vom
Reichtum. Sie sind ihr verfallen und finden nur Halt an der Wand bei dem
Seegang, ein Berührung scheint fast ausgeschlossen. Und Isé?
Spielt sie mit ihnen oder braucht sie etwas, was keiner ihr geben kann?
Der zweite Akt dieses scheinbar autobiographischen
Stückes von Paul Claudel, der es nach 43 Jahren erst 1948 umgeschrieben
zur Uraufführung herausgab, spielt auf einem Friedhof in Hongkong.
Ruhe ist eingekehrt auf dem Spielfeld. Cís wird seine Frau allein
lassen, zwei Jahre, für eine Eisenbahnprojekt, das für sie finanziell
aussorgen wird. Isé lässt sich nun in Mesas Arme fallen und
es kommt zur ersten ergreifenden Berührung inmitten der toten Chinesen,
wie Mesa lernt, der noch nie eine Frau hatte, seine Hände für
die Liebe zu gebrauchen. Und die Stimmung dieses besonderen Augenblicks
weht noch nach, als Cís zurückkommt und überlegt, ob es
das beste ist zu gehen.
Im dritten Akt ist es düster. Isé
hat ein Kind von Mesa und ruht in Malric, als ob es seine Stärke wäre,
die sie gesucht hat, um Aufstand und Tod zu überstehen. Sie, der Projektionskörper
der hohlen Hoffnungen ihres Mannes, bereits tot, und von Mesa, der noch
einmal auftaucht und merkt, wie beschissen er ist, weil nicht mal der Wink
mit einem Passierschein und dem Leben sie mitreißt. Scheißdasein
als auf die Gemeinschaft angelegtes Lebewesen.
Jossi Wielers Inszenierung ist ein ununterbrochenes
Aufeinander zu und Voneinander weg der Körper, ohne dass die Figuren
näher kommen. Sieht aus wie ein zeitgemäßes Theaterrepertoire
von Bewegungen, trifft aber nicht den Kern des Stückes. Wie käme
ein Heutiger dazu, sich für vier Leute auf dem Weg nach China zu interessieren?
Sicher, Nina Kunzendorf ist der weibliche Fixpunkt auf dem Schiff, aber
noch lange kein Grund, sich zu verlieben. Jochen Noch, ihr Mann, Vater
ihrer ersten Kinder, nimmt sich als einziger das Recht, sie zu umklammern,
leuchtet aber nur auf dem Friedhof, schreiend in Existenznot. Hans Kremer
ist ein gnadenlos cooler Liebhaber, der auch noch raucht auf der hohen
See, den geht das gar nichts an. Allein Stephan Bissmeier holt sie heran,
wenn er sie anlangt, sie in ihrem Liebesnest wachzurütteln versucht,
sie bittet, ihn nicht zum Verbrecher werden zu lassen, da ist Biss und
Gefühl, danach dampft es wieder weg.
Nüchtern, wie man gekommen ist, geht
man auch wieder nach Hause und denkt sich, da hat der Regisseur genau das
erreicht, was er wollte. Ob man ihm sagen soll, dass man sich eigentlich
mal wieder genommen wünschte, geputzt, ausgesaugt und vollgeblasen,
im Theater? Aber dazu müsste er sich mehr Mühe geben. Ob man
das verlangen kann in dieser mageren Zeit?
Willibald Spatz
6. April 2004