Irgendetwas stimmt nicht, wenn diese Leute
in der Lage sein sollten, die Traumstadt Vineta entstehen zu lassen. Auf
einer kaum besiedelten Insel das Paradies zu schaffen, den perfekten Ort
zum Leben, wo man Urlaub macht jahrelang und es einen Themenpark gibt:
Die untergegangen Träume mit einer Leninstatue aus St. Petersburg
und einer sowjetischen Rakete, die in Kuba einst auf das Weiße Haus
gerichtet war. Dr. Leonhard, Beauftragter der Delta AG, hat einen Stab
einberufen zur Planung des Projekts, der kümmerlicher kaum sein könnte:
Der durch das Stück um einen Cappuccino ringende Hans Montag, der
ahabeske Kapitän Feldmann-See, sein Erzfeind auf den ersten Blick,
der Projektleiter Hagemann, verloren im Trachtenjanker, der trotz Alters
noch karrieregierige Bürgermeister von Weinheim, Behrens, und der
grimmige Ingenieur Born. Das harmonische Zusammenspiel dieser durch die
neckische Sekretärin Nina Seiler in Wanken gebrachte Gruppe zerbricht
ganz, als Leonhard den übereifrigen Architekten Färber hinzuberuft.
Er zieht nicht nur das Interesse Ninas unangemessen stark auf sich, er
hat auch noch Visionen von der neuen Stadt, die die Ruhe der Gschafftlhubereien
der anderen stören.
Moritz Rinke lässt lachen über
seine Gestalten in der Republik Vineta, und die Augsburger Inszenierung
von Oliver Karbus lässt Rinke machen. Sklavisch brav hält sie
sich an den Text, öffnet den Blick auf die Bühne in einen klassizistischen
Saal mit Treppe, Kamin, verschandelt durch Kaffeeautomat und Metallstühle.
Plenarsitzung dort. Musikinstrumente werden verteilt, und alle lernen zusammenzuklingen.
Rinke hat genau beobachtet: Was für den Zuschauer komisch ist, bedeutet
bitteren Ernst für den Mitspieler.
In Augsburg hängt diesmal jedes Stück
Text an den Akteuren. Als Hagemann und Behrens am Meeresrand eine Intrige
spinnen und Montag dazu missbrauchen wollen, so bilden Jacques Malan, Rainer
Etzenberg und Klaus Georg Clausius ein so umwerfendes Trio, dass man am
liebsten auf die Bühne rennen würde, um sie zu beglückwünschen,
hielte einen der Lachanfall nicht im Sessel.
Dagegen ist Robert Christian Kowald zu
lieb, um sich als Boss aufzuführen, und auch Gabriele Fischer übertreibt
die Koketterie und Naivität der Nina Seiler, dass sie affektiert wirkt.
Aber Rinke will noch mehr, will das ganze
Gebäude zum Einsturz bringen und erzählt nur noch Dinge, die
der letzte schon verstanden hat. Hier wurde gekürzt, aber nicht genug.
Ende des zweiten Akts hätte Eva Maria Keller als die Frau des Kapitäns
Energie genug, nicht nur ihren Mann aus der Veranstaltung zu holen, sondern
dieselbe auch flotter zu beenden. Aber so kann man immer noch sagen, dass
der Autor schuld ist, dass dieses an sich vergnügliche Spiel um den
letzten Akt zu lang geraten ist.
Willibald Spatz
15. Februar 2004