Roberto Devereux ist in Ungnade vom Parlament
zum Tode verurteilt. Nur wenn Sara, die Herzogin von Nottingham, der Königin
einen Ring übermittelt, kann Roberto gerettet werden. Ein dramatischer
Höhepunkt der Oper, in dem Sara von ihrem Mann gefesselt und Roberto
von den Soldaten geschlagen wird, auf derselben Bühne, nur wenige
Meter voneinander entfernt und durch eine Glaswand getrennt. Sie sind sich
so nah und können doch nichts für den anderen tun. Jeanne Piland
ist die Sara, und sie schafft mit Paolo Gavanelli als dem Grafen von Nottingham
eine beklemmende, beeindruckende Atmosphäre.
Sparsam ist Regisseur Christof Loy, er
lässt die Oper für sich klingen. Das kann sie auch, denn sie
hat genug musikalische Kraft. Es geschieht in einem Raum mit Sesselgruppen,
der eine Hotellobby oder ein Flughafenwartesaal sein könnte, die Lampen
an der Decke erinnern mit ihrem kalten Licht aber auch an eine Fabrikhalle.
Viel Volk ist immer anwesend, große Chöre an Geschlechtern oft
getrennt, die in Donizettis Oper viel Platz haben, durch den sich die vier
Protagonisten erst mal durchsetzen müssen, optisch mit grauen Anzügen
und Kostümen und akustisch mit ihren Stimmen.
Über allen die Königin Elisabetta,
Edita Gruberova: Wenn sie kommt, ist sie die Mitte und lähmt und fasziniert
alle. Auf ihr gesungenes Wort wird gehört und von ihm wird gelebt,
jede Note vom sofort süchtigen Ohr gierig aufgeleckt. Dagegen ist
Zoran Todorovich als Roberto ein kleiner Mann. Was will sie von diesem?
Er hat Hochverrat begangen, nicht am Staat, das auch, aber vor allem an
ihr. Sie liebt ihn und kann nicht verzeihen, dass er nicht liebt, keine;
auch nicht Sara. Zu der ist er hingezogen, aber unschuldig, ohne dass es
ihnen der Herzog von Nottingham glaubt, der einst erste Verteidiger und
Freund Robertos. Er verweigert die Nähe im dringendsten Augenblick.
Elisabetta hat Roberto einen Ring geschenkt,
er soll ihn ihr schicken, wenn sie ihn aus einer Todessituation retten
soll. Sie will ihn nicht hinrichten lassen, aber sie will dieses Liebessymbol
sehen, bevor sie hilft. Eine Frau, eine Königin , die in diesen beiden
Rollen unglücklich ist und am liebsten nichts mehr sein will, die
Krone wie eine Perücke ablegen und sich hin und von allem nichts mehr
wissen. Keine Männer, keine Frauen. Man erlebt den emotionalen Rückzug
eines Menschen aus der Welt, die immer zuviel wollte, und Edita Gruberova
hat die Fähigkeit, zu überzeugen in dieser schweren Rolle, in
diesen Massen Chören, die Friedrich Haider, der musikalische Leiter,
dahin geführt hat, wohin sie Donizetti sie wollte: Eine dunkelblaue
Maschine, die in Gang gestoßen nicht müde wird, am Unheil zu
arbeiten, das Elisabetta, Roberto, Sara und der Herzog über sich zusammenbrauen,
weil sie ihren Gefühlen nicht mehr trauen.
Eine faszinierende, tragische Geschichte
ist dieser Roberto Devereux von 1837 und in dieser Münchner Erstaufführung
2004 kommt einiges zusammen, das die Sache auf kräftige Beine stellt:
sehr gute Sänger und Chöre, ein präzises, treffendes Regiekonzept
und ein durchdacht geführtes Orchester. Ein lohnender, ergreifender
und besonderer Gang in die Oper.
Willibald Spatz
18. Dezember 2003
Musik | Gaetano Donizetti |
Libretto | Salvatore Cammarano |
Elisabetta, Königin von England | Edita Gruberova |
Herzog von Nottingham | Paolo Gavanelli |
Sara, Herzogin von Nottingham | Jeanne Piland |
Roberto Devereux | Zoran Todorovich |
Lord Cecil | Manolito Mario Franz |
Sir Gualtiero Raleigh | Steven Humes |
Ein Page Robertos | Nikolay Borchev |
Giacomo, König von Schottland | Johannes Klama |
Musikalische Leitung | Friedrich Haider |
Inszenierung | Christof Loy |
Bühne | Herbert Murauer |