Molière

Don Juan:

Molières Komödien - so bemängeln die Kritiker - haben schwache, aus fremden Material zusammengeschusterte Plots, zeigen Liebespaare ohne Erotik, haben unbefriedigende, haarsträubende Schlüsse. "Don Juan" gilt als das zusammenhangloseste, uneinheitlichste Stück, da es gegen sämtliche Grundsätze der klassischen Regelpoetik, zum Beispiel die Regel der drei Einheiten, verstößt. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir von "Mota" dieses Stück spielen müssen.

Zum Inhalt:
Weiberheld Don Juan berichtet seinem getreuen Diener Sganarell, dass er sich in das junge Mädchen Charlotte verliebt hat. Seine Liebe zu Elvira, ein Mädchen, das er aus einem Kloster entführt hat, ist hingegen verloschen. Nachdem Don Juan sich von Charlottes Verlobten, Pierrot, aus einer misslichen Lage hat retten lassen, verführt er zum Dank Charlotte, wobei er sein Herz gleichzeitig einer anderen, Mathurine, verspricht. Nachdem er sich gegen die Attacken von Elviras Bruder, dem heroischen Carlos, zur Wehr setzen musste und seinem Vater den Glauben an das Gute im Menschen zurückgegeben hat, sieht sich Don Juan schließlich mit einem Widersacher konfrontiert, dem selbst er nicht gewachsen ist.
Ein saukomisches Stück, an- und hingerichtet von "Mota, dem feucht-fröhlichen Kneipentheater."

Molières Leben:

Ein Perfektionist, der seine Werke bis ins Detail durchkonstruierte; ein Dichter, der sämtliche Ideen aus seiner eigenen Phantasie schöpfte; ein gewissenhafter Ehemann und Vater, der trotz der Verlockungen des Theaterlebens seiner Ehefrau auf ewig treu blieb - all das war Molière, Frankreichs berühmtester Komödiendichter, nicht. Geboren wurde er am 15. Januar 1622 als Sohn des Tapeziermeisters Jean Poquelin und dessen Frau Marie Cressé. Die Eltern gaben dem Neugeborenen den Namen Jean-Baptiste Poquelin - eine bodenlose Gemeinheit, wollte der Kleine doch, wie sich später zeigte, Molière heißen. Als er 10 Jahre alt war, starb seine Mutter, vermutlich im Verlaufe ihrer siebten Schwangerschaft.
Sein Vater, ein tüchtiger Handwerker und Geschäftsmann, schickte ihn 1635 auf die Jesuitenanstalt Collège de Clermont, eine Pfarrschule, auf der Jean-Baptiste das Lesen, Rechnen und Trinken lernte. Für letztere Disziplin war sein fröhlicher Freund Chapelle zuständig, der sich selbst als "Trunkenbold des Marais" bezeichnete. Chapelles Vater unterhielt eine Art philosophischen Zirkel, an dem auch Cyrano de Bergerac teilnahm - ein fruchtbarer Nährboden für Molières geistige Entwicklung. Laut Grimarest, seinem ersten Biographen, studierte Jean-Baptiste seit 1640 Jurisprudenz und Philosophie in Orléans. Das scheint ihm jedoch keinen rechten Spaß gemacht zu haben: Viel lieber studierte er zusammen mit Chapelle und dessen Saufkumpanen das Nachtleben in Paris, wo er sich immer wieder lange Zeit aufhielt. Dort lebte er vom Geld des Vaters und machte zahlreiche Frauenbekanntschaften - ein Lotterleben, das auch heute manch unverantwortlichem Jugendlichen nicht fremd sein mag.
Zwei Zufallsbekanntschaften wiesen ihm den Weg zu seinem späteren Beruf: In Paris lernte er den berühmten Lautenspieler und Komödianten Tiberio Fiorelli, besser bekannt als Scaramouche kennen, der ihm Schauspielunterricht gab. Außerdem machte er die Bekanntschaft mit der jungen Darstellerin Madeleine Béjart, die ihn auf die Bühne und ins Bett lockte. Zum Bedauern seines Vaters verzichtete Jean-Baptiste auf die Charge des "Tapissier du Roy" zugunsten seines jüngeren Bruders Jean. Statt als Tapezierer auf dem Teppich zu bleiben, träumte er von den Brettern, die darunter liegen und die Welt bedeuten. Am 30. Juni 1643 - ein historisches Datum, das man sich nicht unbedingt merken muss - gründete er zusammen mit 9 anderen Leuten, darunter auch seine geliebte Madeleine, das "Illustre Théâtre", das zum ersten Mal am Neujahrstag 1644 im Ballhaussaal des Mestayers ein Stück aufführte. Jean-Baptiste nannte sich nun Molière; wie er auf diesen Künstlernamen kam (moliere bedeutet "der von den Mühlsteinen Zermahlene), kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, aber man vermutet, dass sein Kumpel Chapelle ihm diesen saulustigen Spitznamen gab. Der neue Name konnte aber auch nicht verhindern, dass der Erfolg mit dem "Berühmten Theater" ausblieb, weshalb Jean-Baptiste sich einer Truppe wandernder Schauspieler anschloss, der Wanderbühne des Dufrèsne, zu deren Mitgliedern auch Madeleine zählte.
Nun begannen die Wanderjahre des jungen Molière, der von 1645 bis 1658 mit seiner Truppe durch die Lande zog. Theaterchef Dufrèsne litt nach dem Tod seiner Frau unter Depressionen und hatte keine rechte Lust mehr, den wilden Haufen unter einen Hut zu bringen, weshalb er Madeleine die Geschäftsleitung und Molière die künstlerische Leitung der Truppe überließ. So wurde der junge Schauspieler zum Stückeschreiber, nicht weil er wollte, sondern weil er musste: Die Truppe spielte Erfolgsstücke aus Paris nach, hatte aber zuwenig Darsteller, um die Rollen zu besetzen, weshalb der einzige Intellektuelle der Gruppe, also Molière, die Stücke umschreiben musste. Einige Figuren mussten "ermordet", das Original musste zusammengestrichen werden. Die damaligen Zuschauer werden wohl wie das heutige gewesen sein: ungeduldig, schnell gelangweilt, unterhaltungssüchtig. Der Künstler, Hure seines Publikums, muss da seinen Tribut zahlen und sich dem Massengeschmack anpassen. Molières Truppe hatte fünf bis neun Farcen im Repertoire, die sie jahrelang spielten, mit großem Erfolg. Das Leben auf der Straße war in jeder Hinsicht abwechslungsreich: Die Schauspieler zogen mit dem Thespiskarren durch Frankreich und teilten sich die Einnahmen und vieles andere auch. Es ist zu vermuten, dass sowohl Molière als auch seine geliebte Madeleine bis spät in die Nacht mit ihren jeweiligen Mitspielern probten.
Intrigen gehörten zur Tagesordnung, nicht nur innerhalb der Truppe: So trieb Molière in Lyon seinen Konkurrenten Mitallat, der dort seit zehn Jahren ein festes Haus hatte, in den Konkurs und übernahm nach Auflösung von Mitallats Gruppe die junge, begehrenswerte Schauspielerin Cathérine de Brie. Neben Madeleine und der de Brie konnte seine Truppe noch eine weitere attraktive Actrice vorweisen, die Marquise du Parc, die mit dem damals noch jungen, später alten und berühmten Corneille eine leidenschaftliche Affäre während eines Gastspiels in Rouen hatte. Es ging also hoch her auf der Tour, doch Molière wollte schließlich nach Paris zurück: Im Oktober 1658 spielte er mit seiner Truppe vor Ludwig XIV. und seinem Hofstaat im Saal der Garden des alten Louvre. Der König lachte. Auf seine Anordnung durfte Molières Truppe regelmäßig im Theater "du petit Bourbon" spielen. Die ernsten Stücke Molières scheiterten, seine lustigen Stücke wurden gefeiert. Molière wollte sein ganzes Leben ein ernsthafter Heldendarsteller sein - er war aber, wie er feststellen musste, zum Komödianten geboren. Ein so erfolgreicher, dass der König ihm 1660 sogar den Theatersaal im Palais Royal als Spielort zuwies.
Zwei Jahre später heiratete Molière, nicht seine alte Liebe Madeleine, sondern ihre Schwester, die Schauspielerin Armande Gresinde Béjart. Als das "Rätsel Armande" geht diese Beziehung in die Geschichte ein: Ob Armande tatsächlich Madeleines Schwester war, ist eher unwahrscheinlich. Man munkelte schon damals, dass sie sogar die Tochter von Madeleine und Molière sein könnte. Eine Inzestanklage gegen des Königs liebsten Komödianten wurde jedoch schnell niedergeschlagen. Im selben Jahr reüssierte Molière erneut mit seinem Stück "Schule der Frauen", wurde aber von der Kritik des Plagiats beschuldigt und sogar Opfer eines Attentats: Der Herzog von Fueillade, der sich für das Vorbild des "lächerlichen Marquis" in Molières Stück hielt, täuschte bei einem Zusammentreffen mit dem Dichter eine Umarmung vor, um dann heimtückisch Molières Schopf zu packen und dessen Gesicht an seinen, des Herzogs Knöpfen blutig zu reiben.
Molière kam mit dem Schrecken davon - Attacken von Neidern und Kritikern blieben auch in seinem weiteren Leben nicht aus, die folgenden Kämpfe wurden jedoch mit Feder und Tinte bestritten. Während er mit Stücken wie dem - heutzutage leider bis zum Erbrechen rauf und runter gespielten - "Don Juan" (1665) oder dem "Menschenfeind" (1666) erfolgreich war, entfremdete er sich immer mehr von seiner Gattin Armande. Erst 1672, kurz vor dem Tod von Madeleine Béjart, kam es zur Versöhnung zwischen den Eheleuten. Bei den Proben zu seinem letzten, erneut stark autobiographisch gefärbten Stück "Der eingebildete Kranke" verliebte Armande sich jedoch in Michel Baron, einen von Molière mit väterlicher Liebe protegierten Schauspieler.
So musste Molière gegen Ende seines Lebens feststellen, dass er, wie viele seiner Figuren, ein Barbuillé, ein Angeschmierter ist. Am 17. Februar erlitt er bei der vierten Aufführung des "eingebildeten Kranken" einen Blutsturz auf der Bühne und starb am gleichen Abend. Ironie des Schicksals, spielte er doch die Hauptrolle, den Argan, der fälschlicherweise glaubt, todkrank zu sein. Am 21. Februar wurde Molière auf dem Friedhof Saint-Joseph bestattet. Er wäre heuer 383 Jahre alt geworden.


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