Kapitel 13: Von Wärme und Licht in Kälte und Dunkelheit

"Oh, hätte ich nur Beine, um sie nur zu vertreten um so meine Nervosität zu bändigen, oh hätte ich nur Lippen um sie auf diese zu drücken oder einen Mund, um endlich wieder aus dem See des Vergessens zu trinken oder eine Körper, um ihm einen Teil meiner Schmerzen abgeben zu können. Oh, sie wacht auf, die Schöne."

Wir kennen diese Umgebung, das letzte Mal sahen wir hier Plenten den Worten des Computers

GUK lauschen. Auch als Pandarei die Augen aufschlug blickte sie in vertrautes Terrain. Sie fragte sich, ob die Platte, die ihr Leben erzählte, wohl hängen geblieben sei, und gleichzeitig fiel ihr ein, daß sie sich das ja genau zweimal täglich dachte und wunderte sich nicht mehr.

"Tut mir leid, daß wir wieder so unsanft sein mußten, meine liebe Pandarei, aber ich habe keinen Körper, um dich auf Händen über diese Schwelle zu tragen und meine Helfer sind nun einmal etwas grob, da kann man nichts machen."

Sie war wieder gefesselt und die Burschen umringten sie und glotzten sie neugierig an. Sie hatte zuvor noch nie etwas derartiges gesehen und das machte ihr Angst, obwohl sie durchaus den Eindruck erweckten, als bewunderten sie ihren Körper.

"Ich weiß, was du jetzt denkst, liebe Pandarei. Aber es wird dir nichts geschehen. Vertrau mir! Sie halten alle zu dir. Keiner würde es je zulassen, daß dir ein Haar gekrümmt wird. Ach, ich bin hier, weiß Gott, noch keine Ewigkeit, aber es ist grausam. Entschuldige, wenn ich Gott erwähne. Schlimmer wird es jeden Tag und ich leide besonders, wenn du hier bist, meine liebe Pandarei." Pandarei tat sich immer noch schwer, sich als Herrin der Lage zu sehen.

"Ihr seid in schrecklicher Gefahr. Eigentlich müßtet ihr mir egal sein , ihr dummen Menschen. Seit ich hier unten eure Geschicke zu lenken versuche, seid ihr zu dumm gewesen, die Chancen zu nutzen, in die ich euch fast mit der Nase hineingehalten habe. So mußtet ihr eben über euer von Schicksal zu bestimmten Maß Schmerzen erleiden. Und der Lenker eures Schicksals wurde euer überdrüssig bis ich dich sah, liebe Pandarei, und meinen Glauben wiedergewann. Seitdem weiß ich, daß es wieder Zeit ist, euch zu helfen und daß es gerecht ist. Ihr seid in großer Gefahr, liebe Pandarei. Ich steckte auch mal in einem wunderbaren kleinen menschlichen Körper. Tag für Tag erinnere ich mich mehr daran. Oh, wie wir den Tod gefürchtet haben damals. Der Tod, Pandarei, kannst du dir das vorstellen? Oh wir glücklichen, damals. Schlimmes wird geschehen, wenn ihr nicht bald handelt. Der, den ich zu deiner Rettung geschickt habe, ist nun selbst in Gefahr. In den falschen Händen wird er zu einer schrecklichen Waffe, liebe Pandarei. Ich rede von Plenten. Er ist der Rock 'n' Roll, die Wiedergeburt des Kings und er ist Teil eines schrecklichen Plans, der das Ende eures bißchen Glücks bedeuten kann. Tu was, finde ihn und rette ihn. Du bist ausersehen die Menschheit zu retten. Freu dich und singe!"

Pandarei war überrascht. Das hätte sie auch zugegeben, wenn sich jemand nach ihrem emotionalen

Zustand erkundigt hätte. Aber zunächst einmal hätte sie nicht viel dagegen gehabt, die Menschheit zu retten, den King zu heiraten und ihren Körper von vielen Leuten bewundern zu lassen.

"Sag mir doch, was ich tun soll!"

"Geh und finde Plenten und haue ab mit ihm, versteck dich! Meine Leute werden euch jede erdenkliche Hilfe zukommen lassen. Allerdings könnt ihr nicht hier bleiben, weil ihr auch hier nicht sicher seid."

"Wo kann ich ihn denn finden?"

"Du mußt sehr vorsichtig sein, weil er sich auch in Nobnojs Gewalt befindet. Nobnoj darf keinen Verdacht schöpfen, denn er ist sehr mächtig, dabei hast du trotzdem einen unglaublichen Einfluß auf ihn. Nutze ihn!"

Pandarei merkte, wie ihre Lider schwerer wurden uns sah ein, daß es sinnlos wäre gegen den Schlaf, der sich ihrer bemächtigte, anzukämpfen.

Sie bemerkte die Abwesenheit der Sonne doch an dem Schatten, der sich plötzlich auf ihrer Haut befand und sich wohl fühlte dort.

Sie schlug die Augen auf und sah blinzelnd ein Geschöpf in einer schlechten, längs gestreiften Badehose vor sich stehen.

"Guten Tag, Pandarei, laß uns schwimmen gehn."

"Hallo, Nobnoj", daraus, daß ihre Stimme so verschlafen klang, schloß sie, daß sie eingenickt war, ohne es zu registrieren.

Nobnoj sprang ins Becken und machte einige halbe Schwimmzüge nach denen er sich hinstellte im Wasser, das ihm gerade bis zur Hüfte reichte.

"Na komm schon, es ist überhaupt nicht kalt." Dabei schlug er mit der flachen Hand aufs Wasser, so daß Pandarei ein paar vereinzelte Tropfen abbekam. Das kindische Gelächter, das aus Nobnojs Mund schoß, verhinderte, daß Pandarei irgendwie körperlich auf diese unangenehme Befeuchtung reagierte. Sie war einfach angewidert.

"Warum kommst du nicht raus und wir trinken zusammen einen Cocktail, drüben, wo es schattig ist?"

GUK hatte recht, sie hatte Macht über ihn. Folgsam wie ein kleines Kind stieg er aus dem Wasser uns sie gingen zusammen zu einer kleinen Bar aus Schilfe und Bambusrohren, wie man sie aus schlechten Luxushotels kennt.

Sie setzte sich, die Beine überkreuzt, auf einem Barhocker und schaute ihm über den Tresen zu, wie er sehr nervös und wortlos sein Werk durchführte. Sie fragte sich nur, ob es irgendein System haben könnte, wie er da Alkoholika, Fruchtsäfte und Sirupe, die er aus einem reich gefüllten Kühlschrank am Boden, zusammen schüttete.

Schließlich standen zwei rosarote Getränke in rasant geschwungene Gläsern vor ihnen und er sagte stolz "Voila!" als er die Strohhalme plazierte.

Er hob sein Glas, blickte zum Himmel "Auf uns!", stellte es ab und begann gierig an seinem Strohhalm zu saugen. Es war offensichtlich, daß er diese Vergewaltigung seiner Geschmacksnerven möglichst schnell hinter sich bringen wollte.

Pandarei nahm langsam ihren Strohhalm aus ihrem Glas, steckte ihn in seine rasch weniger werdende Flüssigkeit und zog genüßlich davon, ihn verführerisch anblickend dabei. Er verlangsamte sein Saugtempo, hörte schließlich ganz auf und hob seinen Kopf. Sie folgte ihm mit ihren Augen ganz ihre Überlegenheit auskostend. So konnte sie sogar den widerlichen Geschmack vergessen, der über ihre Zunge kroch, Gaumenunfreude.

Sie näherte ihren Kopf dem seinen und fragte leise, fast hauchend: "Was ist?"

"Schmeckt er dir?" sich noch weiter aufrichtend. "Ja" ihre Augen rollten, als sie ihm nach oben folgte.

"Was willst du?"

"Elvis und Rock 'n' Roll."

Seine Augen schoben sich zusammen und er blickte sie steinern an.

"Kannst du haben, Baby."

Er packte sie mit beiden Armen und würgte ihr einen Kuß auf den Mund. Keine seiner Bewegungen war mehr als eine Karikatur der Fernsehbilder, die sie zu imitieren versuchten. Nichtsdestoweniger war es für Pandarei eine doppelte Niederlage, als seine Zunge vergeblich Zugang zum Gelege ihrer Zähne suchte: zum einen sah sie, daß es mit ihrer gnadenlosen Überlegenheit nicht weit her war, zum anderen befand sie sich in einer klassischen Vergewaltigungssituation, was für die meisten Frauen auf dem Planeten, auf dem wir unsere Handlung angesiedelt haben, keinen allzu großen Triumph bedeutet. Nur um es kurz zu erwähnen: Ganz ähnlich verhält es sich auch auf den meisten anderen Planeten, auf denen wir theoretisch unsere Handlung hätten ansiedeln können.

Sie stemmte sich mit beiden Armen und aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand, gegen ihn und hatte Erfolg: Sie flogen mit einem lauten Knall auseinander.

Nobnoj war nicht mehr zu sehen, er war hinter dem Tresen abgetaucht. Pandarei hörte Wimmern und Weinen. Vorsichtig bewegte sie sich auf die Bar zu und sah ihn dort auf dem Boden kauern, und nach seiner Mama heulen. Dieser Anblick befriedigte sie tief in ihrem innersten und sie holte aus um ihm mit ihrem nackten, schlanken Fuß noch einen Tritt gegen den Magen zu geben. Doch er war schnell und gut und packte sie am Bein und ließ sie tanzen.

"Du dummes kleines Ding, du!" schrie er und die Augen quollen ihm hervor. "Du wirst deinen Plenten nie wieder sehen, nie wieder, verstehst du? Er ist längst tot. Ich hätte es wissen sollen, daß du keinen Deut besser bist als er. Aber bitte, bitte, die Menschen lassen sich eben nicht zu ihrem Glück zwingen."

Diese Worte preßte er unter gewaltigem Speichelaufwand mit der Zunge zwischen seinen zusammengepreßten Zähnen hindurch und er hätte noch weitergeredet und sich noch fester Pandareis Bein gekrallt, wenn es ihr nicht gelungen wäre, ihm dickflüssigen, grünem Schleim aus den Tiefen ihres Rachens ins Gesicht zu blasen, was ihn veranlaßte seine Zähne doch noch einmal weit auseinanderzureißen und "Ah, du Sau!" zu brüllen. Er stieß sie mit aller Kraft zurück und sie fiel schmerzhaft auf die scharfen, nicht kindgerechten Kanten der Bar. Rot war ganz deutlich zu sehen auf diesem glatten, braunen Hintergrund.

Er beugte sich über sie mit glühenden Augen und riß sie an ihren goldenen Haaren zu sich herauf.

"Wir werden jetzt eine kleine Reise machen, Baby, unsere Hochzeitsreise, dorthin wo es schön grau und kalt ist."

Er zog sie mit sich und sie konnte nur folgen und ihm den Arm zerkratzen, was ihm aber nicht die geringsten Probleme machte.

Sie fand sich wieder gefesselt und geknebelt in der Dunkelheit eines Kofferraums eines Wagens, der schnell über die Straßen ihrer Heimat rollte. Daß sie sich wieder in der Heimat befand, bemerkte sie am Radiosender, dem sie völlig hilflos als eine unter den Boxen liegende ausgesetzt war. Sie wußte, daß zehn Minuten intensives Zuhören bei diesem Sender einem den ganze Tag versauen konnten. Sie weinte, weil diese Autofahrt schon viel länger dauerte und weil noch keine Hoffnung auf ein baldiges Ende bestand. Da spielten sie eine Disconummer mit Streichern und Nobnojs Stimme sang: "Oh Babe, say that you love meee." Sie lag in Nobnoj Smadas Auto gefesselt und geknebelt und hörte Nobnoj um Radio singen, wo möglich ein Lied über sie, schließlich hatte er sie auch einmal "Baby" genannt.

"Eine außergewöhnliche Sache", dachte sie sich.

Die Moderatorin unterbrach auch dieses Lied wie jedes andere für eine Meldung: "Ja, Leute, (wie flippig das klang!) das ist der neue Riesenhit vom größten Star diese Jahrhunderts, um den die Mädels nur so kreisen wie die Fliegen um die Oma in eurem Nachbarhaus, die seit drei Tagen in ihrer Wohnung fault, weil niemand den Riesenberg Werbepost vor ihrer Haustüre verdächtig vorkommt. (Oho) Leider heißt es bald Abschied nehmen von ihm, unseren Nobnoj Smada, denn er hat seinen letzten Auftritt angekündigt noch in diesem Jahrhundert, am Silvesterabend, also heute, Leute, und ihr könnt dabei sein im Fernseher oder live bei uns hier on air!"

Während dieser Rede war im Hintergrund bereits Abbas "Dancing Queen" angelaufen, das nun in voller Lautstärke dröhnen durfte. Pandarei hatte Schmerzen.

Ein Ohrwurm biß sich im Schwanz des anderen fest und sie schlagen ein tödliches Band um die Teile ihres Gehirns, die für Sauerstoff und klare Gedanken noch zugänglich waren.

Irgendwann - es mußte schon Nacht sein, denn bei Pandarei war es nun hell - hielt der Wagen und sie hörte Nobnojs Stimme vorne sagen: "Ich muß kurz raus!" Dann das Knistern einer Plastiktüte: "Iß nur, das war nicht so teuer, wie ich gesagt habe!" Das Schlagen der Autotür. Kurz darauf noch einmal. Der Kofferraum wurde kurz geöffnet und von der Welt draußen flog eine Handvoll

Kartoffelchips herein und eine Stimme, die zu zehn Zentimetern Hose gehörten, aus deren diese Welt draußen außer Sternenhimmel noch zu bestehen schien, sagte: "Keine Panik, bald sind wir da!" Dann die Weiterfahrt. Pandarei litt weder unter Platzmangel, noch war es ihr sehr unbequem, so daß sie einschlief und beim Wiedererwachen keinen blassen Schimmer hatte, wie lange sie noch unterwegs gewesen waren.

Auf jedem Fall standen sie wieder und ein gleichmäßiges Surren ließ sie erkennen, daß sie sich an einer Tankstelle befanden. Das Surren hörte auf und kurz darauf wurde der Kofferraum ganz geöffnet. Eine dicke, unter anderen Umständen vielleicht nicht unsympathisch aussehende Gestalt beugte sich über sie, stellte vielleicht erschrocken erst jetzt fest, daß sie Fesseln trug, und machte sich an ihnen zu schaffen mit nervöser Hektik.

Schließlich konnte er sie befreien und sie lief los in diese Umgebung, die sie als der Stadt zugehörig erkannte, in der sie eine Wohnung hatte.

Der einsetzende Schneefall ließ ihren Badeanzug unangebracht erscheinen, aber daran dachte sie nicht, auch nicht daran, daß bald viele Leute ihren Körper betrachten würden wahrscheinlich mit mehr Ver- als Bewunderung.

"Schließ mich in dein Gebet ein", rief der Dicke, Sympathische ihr nach.

Nobnoj kam aus der Tankstelle lächelnd und mit Mühe, denn man hatte ihn natürlich erkannt. Heinz stand allein neben dem geöffneten Kofferraumdeckel, verloren.

Nobnoj Miene verfinsterte sich und er verlieh seinen Schritten unmißverständlich mehr Bestimmtheit.

 

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