Kapitel 15: Seelen und Säure

Sie kannte das ja: Kofferraum, Fesseln, Knebeln. Wie gesagt, man liegt nicht unbequem, wenn der Fesselnde etwas davon versteht und Nobnoj verstand etwas davon, wollte keinen anderen irgendwas vermurksen lassen. Er fesselte fest, man fühlte sich gefesselt, aber mit viel Gefühl. Pandarei erinnerte sich an die Hand ihres Vaters, die sie rauh, aber sicher damals durch Stockholm geführt hatte vorbei an all den zwielichtigen Gestalten, die ihnen beiden Übles antun wollten. Irgend etwas in ihr war gerade dabei Gestalt anzunehmen und Raum einzunehmen, anderes, das sie für sehr wesentlich in sich gehalten hatte, zu verdrängen. Sie konnte es nur noch nicht beim Namen nennen.

Pandarei ließ mit sich geschehen, sie sah ein, daß Widerstand vorerst zwecklos war. Nobnoj reagierte sehr gelassen darauf, als sie ihn bat, das Radio diesmal auszulassen. Er sagte nur, er wolle sich noch einmal hören, was aber nicht weiter schlimm war, denn das zweite Lied, das kam, war sein neuer Superhit, sie hörte, wie er vorne mitsummte und dann wirklich sehr brav das Radio abstellte nach der Ankündigung seines letzten Auftritts. Dadurch blieb ihr Rod Stewards "Down Town Train" erspart. Dafür war sie zunächst sehr dankbar.

Doch der einsame Ohrwurm, der in der sich langsam beim gleichmäßigen Brummen des Motors ausdehnenden Langeweile mehr Bewegungsfreiheit gewann, biß sich, nachdem sich ihm kein Schwanzende bot, im Gehirn von Pandarei fest; das tat weh. Doch dann erst bemerkte sie, wo er sich festgebissen hatte: an jenem Ding, das begann größer zu werden und das sie jetzt endlich beim Namen nennen konnte: Sympathie - Sympathie für Nobnoj. So groß konnte sie noch nicht gewesen sein, denn der Wurm benötigte ganze zwei große Schlucke um sie ganz verschwinden zu lassen oder aber der Wurm war sehr groß oder aber sie versteckte sich besser, denn die Fesselung war schon sehr gelungen. . .

Sie war auf Spekulationen angewiesen, wohin ihre Fahrt führen sollte. Nobnoj hatte etwas von einer Verabredung gemurmelt. Sie wußte mittlerweile, daß er eine Vorliebe für Fernsehpathos hatte

und hatte das stillschweigend hingenommen. Sie hoffte darauf, daß sie in die Nähe von Plenten fuhren, das war ihr ganz plötzlich eingefallen, genauso wie ein Gedanke an Propheten und Berge, mit dem sie nicht viel anfangen konnte, wo sie doch mit biblischen Dingen nicht viel am Hut hatte. Schließlich mußte sie die Welt doch noch retten mit der kleinen Hilfe ihrer unterirdischen Freunde. Vorausgesetzt Nobnoj bedrohte wirklich die Welt, was sie sich fast nicht vorstellen konnte, nicht doch er, er war viel zu harmlos dazu! Vielleicht wurde auch ein böses Spiel mit ihr getrieben und die Gefahr kam von unten und Nobnoj war der Gute. . .. Man könnte jetzt auch sagen, daß es womöglich ganz gut gewesen wäre, wenn jemand das Radio eingeschalten hätte, damit sich ihre Gedanken wieder auf eine Umlaufbahn um eine fixe Haßsonne begeben hätten können, ein übermächtiges Schicksal, dem man hilflos ausgeliefert ist, hätten verdammen können. Eben genau das, war der Mensch, den man damals modern nannte, so liebte. Sie hielten an und waren im Wald. "Baby, tut mir leid, aber unsere Fahrt hat ein Ende, wir müssen zu Fuß weiter. Ich kann nicht helfen, ich habe mir diese Landschaft nicht ausgedacht."

Nobnoj befreite sie von ihren Fußfesseln und band ihr statt dessen ein zusammengerolltes Tuch vor die Augen. Er ließ sich dazu Zeit, ließ seine Hände länger den Kontakt mit ihren Beinen und ihren Schläfen genießen als es unbedingt nötig gewesen wäre.

Heinz stand regungslos dabei und sah sehr hilflos aus. Nobnoj wußte, daß es demütigend für ihn war, das mit ansehen zu müssen. Er war ein Mann, der versagt hatte, der einem Überlegenem ausgeliefert war. Das verlieh Nobnoj eine Souveränität, die fast sadistische Züge trug. Auch Pandarei bekam das mit und fand, daß Nobnoj zum ersten Mal stark genug war, um ihren kritisch-gleißenden Blicken, nun durch Stoff verhüllt, einige Momente standzuhalten und fast sogar schon gleichwertig neben ihr stand.

Dann war da nichts mehr außer den Geräuschen ihrer Schritte: ihre eigenen, etwas unsicher - sie wurden nur geführt; Nobnojs Hand lag auf ihrer Schulter und verlieh ihr Sicherheit mehr und mehr, sie wuchs an mit einem Vertrauen, das ihr Angst machte, denn Nobnoj konnte sie auch falsch gehen lassen, in Gruben stürzen lassen, schließlich ging sie voraus. Er tat es aber nicht. Seine Schritte waren bestimmt, tempoangebend, aber nicht eilig oder gar hetzend. Den Abschuß mußte Heinz bilden, der Probleme hatte zu folgen, da Schläge ihn verletzt hatten, Schläge, die er wieder fühlte am ganzen Körper, weil der vor ihm war, der sie ihm verabreicht hatte und weil er hinter ihm sein mußte, nicht entfliehen konnte, weil er zu langsam war. Die Unregelmäßigkeit seiner Schritte brachten auch sein Hirn durcheinander bis es nur noch ein wirrer, unförmiger Haufen aus Haß, Verzweiflung und Schmerzen war. Er war ein Mann imstande zu töten. Das wußte auch das Lächeln, siegesbewußt auf Nobnojs Mund.

Nobnoj als unbeliebter, aber gefürchteter Herrscher inmitten seines Trosses von Blinden und Lahmen. Diesmal war es wirklich Macht, die sie durchschritten. Diesmal hatte ihr der beschränkte Raum seines Kopfes nicht ausgereicht, diesmal war sie übergelaufen und hatte die ganze Umgebung eingenommen. Weg, Baum, Staub, Luft war Macht.

Hin und wieder stieß sie noch schmerzhaft an eine Wurzel oder einen Ast, doch das war ihre eigene Schuld. Hinter ihr war Kraft, Macht und Sicherheit, die sie lenkte und regierte. Nichts würde ihr fehlen. Hätte man sie gefragt, hätte sie geantwortet, daß sie eine solche Geborgenheit nicht mehr erfahren habe, seit sie dem Schoße ihrer Mutter entwachsen sei. Man hätte sie dann darauf hinweisen müssen, daß sie ihre Situation gründlich mißverstehe; sie wurde nämlich von einem gemeingefährlichen Psychopathen durch den Wald an einen völlig unbekannten, sicher aber dunklen und gefährlichen Ort geführt. Manchmal ist die menschliche Psyche eben zu solch unlogischen Leistungen fähig.

Sie mußten sich auf einem weiten Feld befinden, denn das war eindeutig Wiese, worauf sie ihre Füße nun bewegten, nicht lange, denn Nobnoj starke Hand verstärkte den Druck auf ihre Schulter und gab ihr so zu Verstehen, daß sie vorerst am Ziel ihrer Wanderung angelangt waren. Er streifte ihr das Tuch von den Augen und sie konnte die Umgebung wahrnehmen: sie standen direkt vor einer alten

tausendjährigen Eiche auf einem Hügel, die ihre alten Äste wie wütende Arme eines unterdrückten Volkes gegen den Himmel streckte, als ob drüber wär ein Ohr, sich der Bedrängten zu erbarmen.

Pandarei erschrak, denn sie kannte das. Sie standen dort, wo sich einst die Grube befunden hatte! Wie wilde Furien umtanzten sie Schneeflocken. Mühsam kroch Heinz den Hügel hinauf, immer wieder mußte er innehalten, weil heftige Hustenanfälle ihn schüttelten.

"Wir sind am Ziel, meine Braut," sagte Nobnoj, er trug einen schwarzen Anzug. Pandarei hatte ein weißes Brautkleid anziehen müssen, noch in ihrer Wohnung und gewisses Befremden hatte sie beschlichen. Jetzt konnte sie nicht leugnen, daß die Szene eine geradezu gespenstische Ästhetik hatte. Heinz hatte sie inzwischen erreicht und stand schwer atmend zwischen ihnen. Sie blickten sich tief in die Augen und ein schelmisches, stolzes Grinsen Nobnojs fiel auf das müde Gesicht Pandareis. Schweigen meißelte dieses Bild in die Ewigkeit bis Heinz wieder hustete.

Nobnoj schritt auf die mächtige Eiche zu und wurde immer kleiner neben dem Goliath, der ihn mehrere Male hätte aufnehmen können.

Eine Öffnung tat sich auf zwischen ihm und dem Baum. Er bedeutete ihnen nachzufolgen und verschwand im Boden. Pandarei und Heinz gingen ihm nach. Eine steile, aus Stein gehauene Wendeltreppe führte nach unten. Pandarei ging sie hinab und verlor die Umgebung aus dem Sinn, es gab nur diese Spirale aus Stein, in den sie sich hinabwand, Nobnoj bekam sie nicht mehr zu sehen und Heinz war wohl zu langsam. Sie dachte nicht mehr daran, daß irgendwo ein Ende sein mußte und hatte vergessen, wo ihr Weg begannen hatte, das einzige, was wirklich existierte, war ihre Bewegung nach unten.

Sie wußte nicht, wie lange es dauerte, auch zählte sie nicht die Stufen, doch irgendwann waren sie zu Ende, doch ihr Geist drehte sich noch weiter und sie brauchte kurze Zeit, um ihren Kopf heben zu können und den neuen Raum, des auffälligstes Merkmal mehr Licht war, aufzunehmen. Sie befand sich in einem großen Kellergewölbe, das sehr nach Mittelalter und Geheimverschwörung von jungfrauenschändenden, und anschließend -mordenden Ritterorden aussah. Das Licht spendeten großzügig an der Decke verteilte Neonröhren. In der Mitte standen zwei Bahren und auf einer lag - sie traute ihren Augen kaum - Elvis. Er war dort festgeschnallt und hatte eine Kopfbedeckung auf, die andere Leute dazu animiert hätte, darin Salat anzumachen, von der mehrere Drähte zu einem großen Kasten mit vielen Lichtern und Schaltern führte, der daneben stand. Die andere Liege war leer. Von der Decke hing in einer Ecke ein Käfig. Pandarei erschrak, als sie sah, daß sie von dort schon die ganze Zeit ein Gorilla anstarrte. Auch Elvis bemerkte ihr Eintreten. Irgendwas machte in ihrem Herzen einen großen Sprung und sagte: "Ja!" Er schaute amüsiert auf ein Bild von John Lennon, das die Wand schmückte. Ein kurzes Rauschen kündigte die Ankunft von Nobnoj durch eine Schiebetür an. Er trug jetzt das Operationsgewand eines Arztes.

"Ah wunderbar, du hast also schon hierhergefunden", sagte er händereibend und rasch auf die Mitte des Raums zugehend. Als er das John-Lennon-Porträt passierte, hielt er verdutzt inne. Er nahm es von der Wand, betrachtete es mit verwunderter, ärgerlicher Miene und schmiß es mit aller ihm zur Verfügung stehenden Gewalt auf den Boden. Scherben knirschten, als er zweimal kräftig darauf trat.

"Möchte wissen, wer das schon wieder aufgehängt hat", murmelte er und trat näher.

Elvis betrachte ihn unwillig.

"Liebe Pandarei, du hast das besondere Glück einem einmaligen wissenschaftlichen Schauspiel beizuwohnen. Leider bin ich mir nicht sicher, ob du diese Eindrücke sauber verarbeiten kannst, deshalb habe ich dir einen ganz besonders günstigen Zuschauerplatz zugedacht."

Dabei setzte Nobnoj einen Hebel in Bewegung und der Käfig senkte sich auf den Boden. In den Gorilla kam Leben: freudig erregt hüpfte er, während er sich am Gitter festhielt, auf und ab.

Pandarei deutete das als kein gutes Zeichen und machte eine Flucht einleitend ein paar Schritte rückwärts bis sie jäh auf Widerstand stieß. Ein Hindernis, das animalisch grunzte bei ihrem Aufeinandertreffen und sie äußerst unsanft packte.

"Versuch doch einfach, das Ganze zu genießen!" Nobnoj öffnete den Käfig und der Gorilla fiel ihm um den Hals. Nobnoj küßte ihn auf den Mund und wendete sich wieder zu Pandarei: "Darf ich dir

Lucy vorstellen? Sie ist wahrscheinlich die einzige Freundin, die ich jemals hatte. Schade, daß ich sie jetzt opfern muß, aber wo kämen wir denn hin wenn die Wissenschaft auch noch auf private Gefühlsduseleien und idiotische Moralvorstellungen einzelner Rücksicht nehmen müßte? Ja, meine Kleine." Er streichelte Lucy sanft und führte sie dann Arm in Arm wie Verliebte zu der noch freien Liege. Völlig widerstandslos ließ die Arme sich die Fesseln anlegen - das war sichtlich ein Augenblick höchsten Genusses für sie - und eine Salatschüssel mit Drähten auf dem Kopf setzen. So lag sie neben Elvis, dem die Situation nun schon wesentlich bedenklicher vorkam.

Wesentlich mehr Widerstand leistete Pandarei, als Heinz, der sie von hinten gepackt hatte, sie humpelnd und bucklig in den Käfig drängen wollte. Doch ihre Versuche blieben ohne Erfolg. Heinz war brutal, kräftig und die Dumpfheit in Person. Laut knallend schloß sich die Tür hinter ihr und sie wurde emporgezogen.

"Meine liebe Pandarei, du wirst erleben, wovon noch nie ein Mensch davor zu träumen gewagt hätte", begann Nonboj zu reden. Er stand aufrecht und groß da wie ein Eroberer, große Gesten unterstrichen jedes seiner Worte.

"Diese beiden Individuen werden die außerordentliche Ehre haben als erste Individuen, ihre Wesen und Seelen tauschen zu dürfen. Der junge Mann, den du hier siehst, heißt Plenten und ist der Rock 'n' Roll, insofern wird er mir noch sehr nützlich sei. Ich werde heute um Mitternacht nicht auftreten, sondern er und überall im Lande werden die Leute vor dem Fernseher sitzen und zuhören und zuschauen", ein dunkler Schatten fiel von seiner Nase auf seine Oberlippe, die Worte kamen immer mehr staccato aus seinem Mund und er brüllte mehr als er weiterredete, "er wird eine kleine zwölftaktige Melodie singen, die ich extra habe entwickeln lassen und die alle Menschen in meinen Bann schlagen wird. Sie werden willenlos auf mein Wort hören und alles tun, was ich ihnen sage und dann wird diese Nation mir hörig sein und ich werde ihnen befehlen, die ganze Welt zu erobern und sie werden ein leichtes Spiel haben, denn sie werden zuerst die Radiostationen besetzen und meine Melodie spielen. Dann werde ich der Herr der Welt sein. Dann werde ich jeden Tag Geburtstag feiern. Doch dazu brauche ich ihn, weil er der Rock 'n' Roll ist und der Rock 'n' Roll die größte Waffe, die Gott den Menschen in die Hand gegeben hat! Und du wirst mich nicht daran hindern und deine unterirdischen Freunde nicht. Ihr habt alle versagt! Und der hier wird willenlos sein, er wird das Gehirn dieses Gorillas haben, der mich liebt, weil ich ihn großgezogen habe wie eine Mutter und er wird alles tun, was ich ihm sage."

Diese Worte waren nicht mehr an eine bestimmte Person gerichtet. Er bewegte sich wirr im Raum hin und her und schrie die Wand und die Dinge an. Plötzlich wandte er sich wieder an Pandarei: "Doch du, liebe Pandarei, wirst den Augenblick meines größten Triumphes nicht mehr erleben, zu lange hast du mich verschmäht. Wenn Heinz später dem Körper von Lucy eine tödliche Spritze verpassen wird und ich schon längst mit Plentens Körper und Lucys Seele verschwunden sein werde, um mein Werk zu vollenden, wirst du Zentimeter für Zentimeter in einem Säurebad zugrunde gehen. Damit mir aber dieses Vergnügen nicht entgeht, habe ich dort oben eine Kamera installiert." Er winkte nach oben und betätigte einen Knopf auf seiner allmächtigen Kontrollwand und unter dem Käfig schob sich eine Bodenplatte zur Seite und den Blick auf ein grün brodelndes Säurebad wurde frei, gleichzeitig setzte sich, durch ein gefährliches Rattern der Kette angekündigt, der Käfig selbst tödlich langsam nach unten in Bewegung. Ein diabolisches Lachen füllte den Raum und wurde von den Wänden zurückgeworfen und klang wahnsinnig. Pandarei fühlte, wie sie unwillkürlich Nervosität übermannte und sie bewegte sich, wie ein Tiger, der es gewohnt ist über freies Land zu schweifen, in dem kleinen Käfig hin und her. Nobnoj ging grinsend auf seine Apparatur zu und tippte wild auf Knöpfe und bewegte Schalter.

Ein böses Funkeln kam aus seinen Augen, er war wieder ganz der Showmann, der er auf der Bühne war, wenn er Lieder von Gott sang.

Ein leuchtender Blitz durchfuhr die Drähte, die zu den Salatschüsseln führten. Beide Kreaturen schrien und bäumten sich in ihren Fesseln auf.

Schnell war alles gegangen. Nobnoj befreite den Elvis und der fiel erleichtert in seine Arme. Aufeinandergestützt verließen sie die Szenerie und boten ein Bild tiefer Harmonie.

Der häßliche, bucklige Heinz schlürfte auf den Gorilla zu, der entsetzt brüllte. Aus einer Jackentasche entnahm er eine Spritze. Als er ihre Funktionstüchtigkeit prüfte, blickte er auch kurz und leer zu Pandarei hinauf, dann beugte er sich über den wimmernden Affen.

"Mensch, hilf mir. Das hast du doch schon einmal gemacht. Ich weiß, daß ein Mann tun muß, was ein Mann tun muß, aber der ist wahnsinnig, du mußt mir helfen. Bitte, Hilfe, hilf mir!"

Ihre Hysterie zeigte nicht die geringste Wirkung auf Heinz, der mit geöffneter Hose auf dem Gorilla kniete. Herzerweichend war der Lärm, den dieser erzeugte, um einer tauben Welt von seiner unsäglichen Not zu künden.

Explosion und Pulverrauch erfüllten plötzlich die Luft. Neue laute, unartikulierte Schreie. In dem sich verziehenden Nebel sah Pandarei die eigenartigen Geschöpfe, die sie entführt hatten, wie sie den überraschten Heinz von dem Gorilla runter zerrten. Der tobte in dem Tumult, schien nicht zu begreifen, daß er jetzt von seinem Bedränger befreit wurde und konnte sich endlich losreißen. Er schlug um sich und streckte ein paar Eindringe nieder. Diese reagierten sehr verwirrt auf ihren neuen Gegner, so daß Heinz sich herauswinden und eine Pistole aus seiner Tasche ziehen konnte.

"Hände hoch oder ich p-p-puste euch alle ein Loch in eure Schädel!" Heinz sah sehr komisch aus, wie er dastand mit heruntergelassenen Hosen und versuchte, gefährlich zu wirken. Seine blassen Füße waren übersät mit Blutergüssen und blauen Flecken. Die Unterirdischen blieben eine kurze Weile stumm, doch schlagartig brachen sie in Gelächter aus die Dramatik der Lage verkennend.

Heinz wurde wütend und schoß einem von ihnen tatsächlich ein Loch in den Schädel, der es dann vorzog in tausend Stücke zu ex- oder implodieren, dergestalt daß seine Artgenossen mit einem leichten Sprühstrahl roten, ganz besonderen Saftes überzogen wurden. Die allgemeine Heiterkeit fand ein jähes Ende. Bedrohlich umringten sie den weiterhin wild um sich schießenden Heinz und rückten näher, Er konnte zwar noch so manches Loch in so manchen Kopf pusten, letztendlich aber nicht verhindern, daß sie ihn entwaffneten und ihm Schmerzen zufügten. Der Gorilla, der sämtliche Aufmerksamkeit eingebüßt hatte, sprang an die Stäbe von Pandareis oder auch seinem Käfig, der sich mittlerweile bis auf einen halben Meter bedrohlich der verderbenbringenden Brühe genähert hatte. Pandarei fiel mit einem Schrei zurück. Sie sah dieses angestrengte Gesicht mit hervorquellenden Augen zwischen zwei Gitterstäben hindurch, die sich auseinanderbewegten, sehr langsam, fast zu langsam für ihre Fallgeschwindigkeit, doch ausreichend, um ihr wieder Hoffnung zu geben.

Ein rasch wachsender grüner Fleck breitete sich auf dem Boden aus; der Gorilla brachte den Käfig dazu, sich zu neigen, zitternd stand Pandarei in der gegenüberliegenden Ecke. Sie stöhnte.

Der Affe berührte mit seinen Füßen die Säure, brüllte auf, ließ los.

Ein schwankender Käfig, grün glühende, brautkleidversengende Spritzer, Schmerzen.

Der Affe versank, konnte nicht schwimmen.

Pandarei versuchte durch die Öffnung zu kommen, dabei neigte sich der Käfig wieder, ihre Schuhe wurden weggeätzt, sie steckte, schrie, zwängte sich, schaukelte, fiel und landete hart, schmerzhaft, erleichtert.

Sie sah zurückblickend in das sich auflösende Gesicht des Gorillas, der die letzte Ruhestätte für Elvis gehetzte Seele gewesen war.

Sie hastete zum Ausgang, Scherben zerschnitten ihre Fußsohlen. Das Bild von John Lennon. Er sah aus, als hätte er ihr etwas zu sagen . Vielleicht, daß sie sich vorstellen solle, es gebe keinen Himmel? Vielleicht, daß alles, was sie brauche, Liebe sei? Sie steckte das von seinem Rahmen befreite Bild zwischen lose Stoffreste und den durch sie lückenhaft bedeckten Körper. In einem Anfall von

Mutwillen macht sie noch eine beleidigende Geste zu einem höhnischen Gesicht, das in die Richtung der Kamera sah, bevor sie über die Wendeltreppe das Unten wieder verließ.

Wieder wand sich Stein, diesmal nach oben, nur nach oben, Wieder drehten sich Geist und Körper, nur in eine andere Richtung. Sie strebte nach oben, wurde nicht mehr nach unten gezogen. Sie war wieder erwacht.

Unten war Lärm und Wärme. Offenbar wurde dort weiter zerstört.. Der Sympathische, Dicke erschien ihr kurz vor ihrem geistigen Auge, wie er soeben vor dem geöffneten, leeren Kofferraum eines Wagens stand. Wie gesagt, nur kurz. Dunkelheit und der Weg nach oben.

 

weiter

zurück