Kapitel 8 Ein sozialkritisches Kapitel

Jenseits dieser Türe lagen graue Räume mit einem beißendem Rauch aus Einsamkeit, der sich nicht vertreiben ließ durch bloßes Öffnen der Fenster und fröhliche Vogelstimmen und Asphaltmusik von draußen.

Es war ihre Wohnung, ihr Zuhause und doch fühlte sie sich nicht daheim, nirgendwo, nicht auf diesem Planeten mit seiner lebensfeindlichen Atmosphäre. Trotzdem hatten sich hier sechs Milliarden Menschen angesiedelt und dachten gar nicht daran, daß alles hier tot macht. Das machte den Prozeß ihres Lebens noch um einiges qualvoller und länger.

Unterhaltung war ihr Geschäft und sie ließen sich in kleine Kästen sperren, die zu Millionen über dieses Land verteilt waren. Das war eine Maßnahme der Regierung, der viel daran gelegen war, das Volksniveau gleichzuschalten. Sie hatten sehr gut erkannt, daß nur ein Staat der Mitte auf längere Zeit überlebensfähig ist, daß alles Extreme das schnelle Ende bedeuten würde. Leider traf das auch die Geistesgrößen. Man hätte das wohl ganz gern bedauert, vergaß es aber in der Aufregung und Hektik, die langsames Dahinsiechen so mit sich bringt.

Sie betrachte diese Menschen, die sehr schön waren und die wirklich was von ihrer Aufgabe verstanden, und dachte nicht darüber nach.

Die Ahnung eines säuerlichen Geruchs schwebte noch im Raum. Ihre Einbildung war stark damit beschäftigt, die verstreuten Geruchspartikel aufzufangen und bis zur Rückkopplung zu verstärken. Es machte sie immer traurig, wenn sie ihre Einbildung beschäftigen mußte, weil das sehr anstrengend und verzweifelt war und Anstrengung und Verzweiflung hatte sie schließlich genug, solange sie versuchte, ihre materiellen Daseinsgrundlagen zu beschaffen.

Sie lag auf ihrem Bett. Grüne Galle hatte sich verfestigt, war ein angenehmer, rauher Fleck geworden, über den zärtlich ihre Finger strichen. Sie hätte das wohl uneingeschränkt genossen wenn nicht tief in ihrer Seele ähnlich wie bei vielen Bürgern dieses Landes, das sie ihr Vaterland nannte und das ihr Schutz, Heimat und Lebensgrundlage bot, diese Furcht gewesen wäre, eines schönen Morgens vor dem Spiegel zu entdecken, daß man schon sein ganzes Leben lang mitten im Gesicht eine riesige Perversion trägt.

Sie hätte also ihre Bettwäsche wechseln sollen, auf der jetzt ihr Körper ruhte. Ihre nackten Beine

vollkommen ausgestreckt und sehr schön. Gern hätte sie jemanden dadurch glücklich gemacht, daß sie ihm seine warmen Hände darauflegen ließ. Auf ihrem T-Shirt war ein Comichase abgebildet mit einem Glas, auf dessen Rand eine Zitronenscheibe gesteckt war. Der Hase blickte freundlich und sah niedlich aus. Es war genau jene Niedlichkeit, die man, ohne sich schämen zu müssen, aus seiner Kindheit hinüberretten durfte in jenes Zimmer seines Erwachsenenhauses, das an seiner Tür das Schild mit der Aufschrift "Romantisches" hatte und das so genau ausgemessen war und nur diesen einen Zugang besaß. Heute allerdings sah dieser Hase sehr grausam aus. Daran dachten die Leute, die Comichasen auf T-Shirts drucken und diese dann verkaufen offenbar nicht, daß sie damit Schmerzen bereiten können. Das waren alles Zyniker. Aber schließlich gab es nun mal nur diesen einen Raum mit seinen strengen Ausmaßen im Haus. Wahrscheinlich hörte sie an diesem Abend gar nicht auf das, was die Frau im Fernseher ihr sagen wollte. Wahrscheinlich dachte sie sich, daß die Frau im Fernseher nur von ihren eigenen Problemen redete und sich für die ihrer stillen Zuhörer gar nicht interessierte, wobei deren Probleme ihnen nicht kurz vor der Aufzeichnung auf einem Blatt Papier zugesteckt worden waren. Man würde gerne das tragische Leben eines Fernsehhelden führen, bekäme man zugesagt nur noch in einer Serie existieren zu dürfen, die abgesetzt würde., wenn die Quote nicht mehr stimmt.

Ihre Arbeit war getan, ein Grund eigentlich, ein wenig Zufriedenheit zu verspüren. Sie ärgerte sich, wie leicht ihre Emotionen auf Störungen von außen reagierten. Sie hatte einen Beruf, der viel von ihr forderte. Manchmal stellte sie sich besorgt vor, daß sie in zehn Jahren doppelt so alt aussehen werde, wie alt sie sei, und völlig unfähig sein werde, mit anderen Menschen in normaler Form zu verkehren.

Sie hatte auch zwei Abende zuvor viel erlebt, es war ihr freier Abend gewesen, sie war fertig, hatte durchaus ein natürliches Bedürfnis nach Schlaf, hatte wohl schon einige Traumminuten hinter sich, als sie gehört hatte, daß ihre Klingel heftig bearbeitet wurde.

Eine unglaubliche Frechheit! Wer nahm sich in der Nacht das Recht, unbescholtene, hart arbeitende Bürger aus dem Schlaf zu klingeln? Sie war sich sicher, daß es in ihrem Bekanntenkreis keine Person gab, die sie zu dieser Uhrzeit besuchen würde. Ihr fiel dann leider auch noch ein, daß es in ihrem

Bekanntenkreis eigentlich gar niemanden gab, der sie besuchen würde. Es handelte sich wohl wieder um eine Bande von echt aufmüpfig dreinblickenden Rotzlöffeln, die hier Rumänen wie es nur echte Nerve können. Kaum in ein zweistelliges Alter gekommen, nutzten sie die Nächte, um ihre Jugend und ihr neues Körperbewußtsein zu zelebrieren. Die für Wohnzimmertisch und Fernseher eingetauschte Straße und Dosenbier gaben ihnen das Gefühl, echte Desperados zu sein wie in jenen Filmen, die sie sich nur anschauten, weil die Staatsgewalt sie ihnen verboten hatte und für sie das die

Revolution war, die sie von ihren einstmals wilden Eltern wohlgenährt geerbt haben. Statt einer bedeutenden Persönlichkeit aus Politik, Kultur oder Sport das Auto in Brand zu setzen und dessen Frau zu vergewaltigen zogen es diese jungen Menschen vor harmlose Leute aus dem Schlaf zu holen und Alte durch ihr Gebrüll zu verärgern, obwohl die doch potentielle Beifallsklatscher beim Sturm auf die Bastion gewesen wären.

Alexandra war wütend aufgestanden und hatte in den Hörer "Ja, was gibt's?" gebrüllt, leider konnte sie in so kurzer Zeit nicht genug Energie aufbringen, um es so aggressiv wie gewünscht klingen zu lassen.

Eine Männerstimme hatte um Einlaß gebeten, es gehe um Leben und Tod. Warum sie geöffnet hatte, konnte sie nicht mehr sagen. Auf jeden Fall war sie die ganze Nacht neben dem Bett gesessen, eine Tasse Tee in der Hand, die wärmte. Sie hatte dieses stinkende Etwas auf ihrem Bett und diese himmelschreiende Unverschämtheit betrachtet. Sie hatte sich über ihr Verhalten gewundert, und darüber, daß sie sich nicht einmal unwohl fühlte. Am nächsten Mittag war sie erwacht und zunächst erschrocken. Doch dann war sie aufgestanden, um Frühstück zu besorgen und Gutes zu tun, hatte lächelnd noch einen Blick auf ihn geworfen, wie er da so lag, gekrümmt wie ein Embryo. Die Lache mit seinem Erbrochenen vor seinem Mund hatte ausgesehen wie eine Sprechblase in einem Comic. Er hatte lange geschlafen, sie fand das in Ordnung. Irgendwie war sie zur Arbeit gegangen, er war kurz wach, glaubte sie. Sie hatte sich gut gefühlt bei der Arbeit. Nicht daß sie sich sonst schlecht fühlte, eher fühlte sie gar nicht, sie dachte gewöhnlich nie darüber nach, wie sie sich fühlte.

Doch jetzt wieder allein. Einsamkeit. Nackte Füße. Er hatte kein Wort mehr herausgebracht, war unglaublich besoffen gewesen, wahrscheinlich erinnerte er sich an nichts mehr. Sie war Enttäuschungen gewohnt, hatte sie etwas anderes erwartet, wieso auch diesmal? Weinen wollte sie nicht.

Es war übrigens nicht kalt in dem Zimmer.

Ein optisch nicht reizloser Novembertag. Die wenigen, einzelnen Blätter, die sich durch die stürmischen Tage an den Bäumen gehalten hatten, drehten sich um so stolzer und goldgelber in der

Sonne. Manches wurde gar zu übermütig und mußte sich den Gesetzen der Schwerkraft übergeben, die ein heiteres Spiel mit ihm trieben. Tag und Licht waren nicht ihre Elemente, sie gehörten zu einer Vergangenheit, die jeglichen näheren Kontakt zu ihr abgebrochen hatten. Sie hatte Mühe in ihren Bewegungen, ihren Schritten die stoische Ernsthaftigkeit zu imitieren, die um sie tobte.

Sie machte diesen Gang nicht gerne, er war zu notwendig. Sie stellte sich nicht gerne an Supermarktkassen an, sie ließ sich nicht gerne das Geld aus der Tasche ziehen, nur weil sie leben und

sich ernähren mußte. Eigentlich hätte ihr jemand dafür Geld geben müssen, daß sie sich mit einer solchen Bereitwilligkeit auf diese Welt einließ. Ein durchaus gewohnter Gang durch diese Straßen, immer hatten die Leute bestimmte Gesichter. Heute waren sie alle hübscher als sonst, manchmal waren sie auch trauriger oder aggressiver, doch heute hatte fast jedes Gesicht einen gewissen Reiz. Das gab ihr ein bißchen Ruhe und Geborgenheit zurück, die sie so achtlos verschüttet hatte.

Pandarei hätte eine gute Freundin von ihr sein können. Vieles hatten sie gemeinsam erlebt, waren im selben Lokal gelandet, ihre Jobs waren ähnlich mies, sie wohnten sogar unter dem selben Dach.

Früher hatten sie hin und wieder etwas unternommen, hatten Spaß dabei, machten es sich gegenseitig erträglicher. Oh, sie sahen gut aus dabei. Fast wäre es mehr ein Spiel gewesen. Doch Pandarei wurde mürrischer, sagte manchmal etwas von Alter. Sie dachte zuviel, keine Frage. Sie ließ ihre Umwelt merken, daß die Selbstverständlichkeit mit der sie bisher mit ihr verkehrt hatte, aufgehört hatte eine Selbstverständlichkeit zu sein. Wollte man Pandarei anreden, mußte man wirklich einen Grund haben, ihr etwas sagen müssen und wenigen gelang es, sich nicht in entschuldigendem Unterton an sie heranzuwagen. Es war, als hätte der Alltag sie eines Tages eiskalt erwischt, ihr auf die Schulter geklopft, und als sie sich umdrehte, war da nichts als eine graue Wand und als sie wieder in die bisherige Richtung blickte, war da auch nur graue Wand. Entweder sie waren schon immer da oder sie bildete sie sich plötzlich ein, auf jeden Fall sagte sie seitdem, daß sie keine Perspektive mehr sehe. Das hatte sie wohl kurz davor im Fernseher gehört und offenbar hatte es sie beeindruckt. Jedenfalls könne sie sich nicht vorstellen, glücklich zu werden, wenn sie für einen Mann und Kinder lebe, die sie bekochen und bemuttern dürfe, andererseits könne sie sich auch nicht vorstellen, ihr ganzes Leben

lang für andere zu arbeiten, Das klang alles sehr aufrichtig und so, als hätte jemand beschlossen, sich endlich vernünftige Ansichten zurechtzulegen aus einem nicht mehr nachvollziehbaren Grund, ohne das gewohnt zu sein, einfach aus zwei Wochen intensivem Medienkonsum ein Weltbild zusammenzubasteln. Wer hätte es ihr damals übel nehmen können? Sie war eben eine weitere Zeitgenossin, die sich instinktiv und sicher auf den Weg, der zu gnadenloser Langweiligkeit führt, bewegte. Alexandra dachte damals kurz darüber nach, ob sie jemals von einem Mann und Kindern geträumt hatte, die sie bekochen und bemuttern könnte. Und anstatt sich darüber zu freuen, jetzt erst auf solche Ideen zu kommen, räumte sie gleich das ganze Regal von Sonderangebotsanschauungen in ihren Einkaufswagen. Sie hätten wieder gute Freundinnen sein können, wenn Alexandra nicht an der Kasse bemerkt hätte, daß sie nicht genug Ernsthaftigkeit einstecken hatte, um den ganzen Plunder zu bezahlen, das meiste mußte sie im Laden lassen.

Lebensnotwendige Naturalien enthielt die prallgefüllte Plastiktüte, die ihren Arm beschwerte, zum trägen Pendel werden ließ.

"Weißt du, wie spät ist es?"

Die Stimme gehörte einer alten, weißhaarigen Dame, gekleidet in ein schimmerndes Abendkleid und mit viel Lippenstift und Kosmetik in ihrem Gesicht. Alexandra besaß keine Armbanduhr, wollte das auch sagen, sah dann aber an einer Apotheke eine Uhr hängen.

"Viertel nach zwei."

"Was? Wir sind viel zu spät? Ich verstehe eure Ruhe nicht."

Den letzten Satz hatte sie an die Allgemeinheit gerichtet. Alexandra wollte weiter gehen, weil sie zu

müde oder zu gestreßt war, um sich darüber zu amüsieren.

"Dich meine ich auch, junges Frollein."

Jetzt schauten die Leute und es war unangenehm. Alexandra ging wütend und entschlossen weiter und es machte sie noch wütender und entschlossener, daß man ihr ihr Inneres so deutlich ansah.

Normalerweise haßte sie es im Stehen zu essen und allein, aber das Stehcafe hatte sie aggressiv gemacht, ihr den Zwang auferlegt, sich etwas Gutes zu tun durch Konsum und Ausgeben von Geld Eine Quarktasche und eine Tasse Kaffee. Die Quarktasche zu süß. Kauen und die Geräusche machten sie zornig auf sich. Es gibt nichts Unangenehmeres als den Eßgeräuschen eines Menschen ausgesetzt zu sein. Sie haßte sich dafür, daß sie da stand und so tat als würde sie sich etwas Gutes tun durch Konsum und Ausgeben von Geld.

"Man könnte Geld damit machen."

"Geld, Geld. Du wirst nie Geld damit machen, du bist nicht der Typ und das ist nicht die Stadt. Vergiß es und genieß es einfach!"

Den zweiten kannte sie vom Purple Haze. Er hatte in Plentens Band Baß gespielt, ein Dicker mit Bart.

"Heinz ist seit zwei Tagen nicht mehr aufzufinden, er weiß, wo er ist. Das wird eine Riesensache, diesmal klappt's und mein Name ist dabei."

" Du träumst und noch dazu einen Scheiß. Ich möchte mich nicht gern mit dir unterhalten, tut mir leid."

Sie standen am Nebentisch, tranken Kaffee. "Ich bin spät dran. Ich werde jetzt gehen. Mach's gut!"

"Ja, mach's gut und danke für den Kaffee, Tom!" Der andere packte einen großen Koffer, einen alten und verschwand aus der Passage Richtung Bahnhof. Alexandra schaute ihm noch nach.

"Er trägt deinen Koffer."

Das Gesicht dieses Typen, der jetzt seine dicken Arme auf ihren Tisch stützte, wäre gar nicht unsympathisch gewesen mit diesem Lächeln, das man herzhaft nannte, wäre die Plumpheit und Durchsichtigkeit dieser Offerte nicht brennend gewesen.

"Du erinnerst dich an die lästige Alte, die dich nach der Uhrzeit gefragt hat?"

"Ja, wieso?"

"Sie hat dich daheim besucht, wollte auf dich warten, auf einem Küchenstuhl, dabei ist sie eingeschlafen."

"In meiner Wohnung?"

"Ja, entschlafen sogar. Und weil du sicher nichts mit einer Leiche in der Wohnung anfangen kannst, hat er sich erbarmt und die Alte in den Koffer gepackt."

"Aha"

"Ja, jetzt geht er auf den Bahnhof, nimmt den nächstbesten Zug, egal welche Richtung und vergräbt die Leiche in einem Wald."

"Sicher, in einer zwei Meter tiefen Grube, die er mit den Fingernägeln ausgehoben hat."

"Naja, wahrscheinlich besorgt er sich in einem Heimwerkermarkt noch einen Spaten. Wenn er jedoch schon auf der Zugfahrt über einem Musik- oder Wirtschaftsmagazin einnickt und irgendein frecher Schlaukopf sich für den Inhalt des riesigen, grauen alten Reisekoffers interessiert, ihn öffnet, werden ihm Hunderte von roten Rosen entgegenregnen, als wie wenn er nie etwas anderes enthalten hätte."

"Ein Wunder, müßte man sagen."

" Ein komischer Kauz, der rote Rosen im Koffer einsperrt, würde man denken. Noch eine?"

Alexandra hatte gerade ihre Tasse geleert.

"Mhm", sie nickte leicht.

Der breite Körper bewegte sich auf den Automaten zu, kramte bereits nach geeigneten Münzen in seinem Geldbeutel.

Der Geldbeutel ist einer der trivialsten Gegenstände, die ein Mensch am Körper tragen kann. Die meisten wissen gar nicht, wie viel sie an Bewunderung und Erstaunen, die sie mühsam einer Person abgerungen haben, wieder verlieren, wenn sie plötzlich mit derartigen Alltagsgegenständen agieren. Jenen Alltag, dem ein zufällig vorbei marschierender magischer Moment schon fast ganz verschlungen hatte - gerade noch ein paar Zehen schauten aus dem Maul - und den er jetzt wieder hervorwürgen mußte, fast ganz und unzerkaut.

Als jedoch zwei zitternde Hände zwei schwarze Tassen Kaffees auf den Tisch setzten, erleichtert zwei Plastikdöschen, die ihren Ballen unangenehme Schmerzen bereiteten, erleichtert herausrollen ließen, als Kaffeegeruch Versprechungen machte, die er nie halten konnte den Gaumen gegenüber, zeigte der magische Moment schon einige Schritte entfernt, noch einmal Mitleid und schob diesen großen grauen, unappetitlichen Haufen Alltag zwar etwas zögerlicher als gerade eben in seinen Mund.

"Danke", sagte sie vorsichtig.

Dieses Wort konnte er akzeptieren, konnte es sich mit ihm bequem machen.

"Seltsame Sachen passieren. Sie passieren auch uns, obwohl uns dabei nichts passieren kann. Wirklich. Staunen ist der Anfang. Wir sitzen in der Mitte und können alles genau beobachten. Man muß sich nur darauf einlassen. "

Ein paar echt gefährlich dreinblickende jungen Leute standen bedrohlich vor einem Fast-Food-

Restaurant herum. Sie hatten in ihrem noch nicht allzu lange dauernden Leben gelernt, daß es nicht

leicht ist, den ganzen Tag die Mienen aufzuhaben, die Schauspieler nur für eineinhalb Stunden eines Film zu tragen haben. Sie ließen den Weltschmerz auf ihren ehemals harmlosen Gesichtern spazieren gehen und tiefe Pfade austreten. Sie zogen sich dazu auf die Straße zurück, deren Grau und Härte ihnen mehr Heimatgefühl vermittelte, als die Wärme und natürliche Buntheit der elterlichen Wohnungen, sagten sie. Es war schwer zu leiden, vorbeiziehende Müttern Angst um ihr kleinen, quengelnden, fragenden Kindern zu machen. Aber sie nahmen es auf sich, denn sie hatten noch Sorge um ihre Seelen, damit sie möglichst gut werden. Sie nahmen es auf sich auf der Suche nach jedem Stückchen Tragik auf der Straße, auf das sie sich stürzten, wie wilde Hunde, weil doch eben jene Tragik so selten geworden war.

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