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Das erste Mal

Ich war ungefähr 13 oder 14. Ach, was soll´s? Ich weiß selbstverständlich ganz genau, daß es zwei Wochen vor meinem 14. Geburtstag war.
In dem Alter denkt man ja zwei Wochen vor seinem Geburtstag, man müsse noch irgendwas tun, bevor es soweit ist. Fürs Aussteigen ist es definitiv noch zu früh, die Zeit dennoch kostbar. Man denkt viel über den Tod nach, ob es danach wirklich vorbei ist oder noch etwas kommt, was im Endeffekt auf dasselbe hinausläuft: Jede einzelne Sekunde ist zu nutzen und bewußt zu erleben. Man hat auch begonnen, Schopenhauer zu lesen, weil der Sänger irgendeiner dieser Heavy-Metal-Bands, die einem allmählich zu albern wurden, dies angeblich auch mache und sich davon inspirieren lasse. Man ist geradezu abhängig von Autoritäten, die sagen, was zu sehen und zu hören und was als schlecht und gut dabei zu befinden sei.
Ich schreibe immer „man“, dabei ist ganz eindeutig von mir die Rede. Ich weiß, daß die meisten meiner Altersgenossen sich seiner zeit mit völlig anderen Dingen auseinandergesetzt haben und noch viel mehr die heute. Ich habe auch nicht behauptet – und das mit einem gewissen Stolz durchaus -,daß ich überdurchschnittlich repräsentativ sei.

Ich weiß, daß ich mich dem Vorwurf aussetze, ich würde um den heißen Brei herumreden, ich solle endlich zur Sache kommen. Das mache ich bewußt. Ich muß mich langsam wieder hineindenken in den Menschen, der ich damals war.
Es war die Zeit der ersten Erfahrungen mit Drogen. Drogen sind kein Rauschgift, wie wir es heute sagen würden. Drogen sind im wesentlichen damals Biermischgetränke und Zigaretten gewesen, die man paffte, wie wir einst sagten.
Darüber war man sich auch im Klaren, daß die jeweils benutzte Terminologie Probleme barg. Zum Beispiel wollte immer eine beliebige Person des einen Geschlechts von einer bestimmten Person des gerade erdrutschartig interessant gewordenen anderen Geschlechts was. Stellte man es geschickt genug an, dem Gegenüber sein Begehren mitzuteilen, ging man dann miteinander. „Was will sie denn?“ und „Wohin denn gehen?“ fragten die Nüchternen unter uns und Recht hatten sie!
Interessanter weise gab es keine hübschen Mädchen in meinem Alter, wohl aber unter und über mir. Das eine war nicht nur moralisch nicht zu vertreten und das andere undenkbar.
Sie war damals schon älter, mindestens 16. Sie fuhr einen Roller. Im Freibad war es einer meiner heimlichen Triumphe gewesen, einen Platz zu belegen, der eine gute Aussicht auf sie bot, einem selbst aber erlaubte, ungestört zu phantasieren (ist das verständlich ausgedrückt?). Natürlich war ich seit langem in sie verliebt. Verliebtsein war mein Hobby, immer unglücklich, wie es sich für tragische Gestalten ziemt.
Ich gebe zu, daß sie blond war und daß sie Dauerwellen hatte, aber sie standen ihr. Ich gebe auch zu, daß ich mich damals von oberflächlichen Körpermerkmalen von anderen Werten ablenken ließ (nicht daß ich euch geringschätzen würde, aber: Versteht ihr mich?).

Es war einer jener gesellschaftlichen Anlässe, der auf so magische und gleichzeitig wundersame Weise alle Generationen am Bierzelttisch vereint. Ich sprach mit elterlicher Billigung meinem Leibgetränk, dem Cola-Weizen, bei dem die einschläfernde Wirkung des Hopfens durch die belebende Wirkung des Coffeins aufgehoben wird, großzügig zu und verschwand diskret nach draußen zum Rauchen mit anderen.
Bei dieser Gelegenheit geschah das Wunder. So sehr ich mich auch bemühe, kann ich den genauen Wortlaut des Gesprächs doch nicht mehr herleiten. Auf jeden Fall stehe in ihrem Zimmer noch eine Flasche Baileys – so der Name des Getränks - , die sie allein niemals trinken könne. Ich mußte ihr meine Hilfe gar nicht erst anbieten, sie drängte sich förmlich auf.
Wir fuhren mit ihrem Roller und ich mußte mich bei ihr festhalten. Ich hatte durchaus den Eindruck, daß es ihr gefallen hat. Sie lebte in einem ausgebauten Dachboden im Haus ihrer Eltern mit einem separaten Eingang. In ihrem Schlafzimmer fanden sich neben den obligatorischen Niedlichkeiten auch Bilder meiner Helden, was sie mir noch einmal sympathischer machte.
Wir tranken den Schnaps aus Waffelbechern, die innen mit Schokolade überzogen waren.
„Willst du rauchen?“ fragte sie.
Wir mußten es am Fenster tun wegen des Geruchs. Es war kalt. Ich mußte ihr Wärme spenden.
Viel mehr weiß ich nicht. Hin und wieder kommen verschwommene, einzelne Bilder hoch. Da ist zum Beispiel ein Klo mit Speiseresten, die ich mühsam mit den Fingern vom Rand in das Zentrum der Schüssel befördern will etc..
Ich erwachte auf dem Sofa. Es war schon früher Nachmittag. Ohne ein Wort des Abschieds machte ich mich auf den Heimweg. Was da folgte, versuche ich zu verdrängen.
Seid ihr jetzt enttäuscht? Was habt ihr erwartet? Ich glaube ihr gehört woanders hin, auf www.praline.de zum Beispiel. Ich kann euch nicht helfen.

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